pflügen des Grenzsünders mit der Pflugschar als Sühne für
Grenzverletzung und Fälschung. In solcher Übereinstimmung
über den Begriff der Heiligkeit erarbeiteter Grenze begegnen
sich zwei ursprünglich gesunde, auf ausreichenden, durch
Pflügen und Roden vergrößerbaren Raum gestützte Agrar-
anschauungen, deren Volksboden leichter durch unbewohn-
bare, epithelare, anökumenische Scheiden auseinanderzuhalten
ist als durch Kulturgrenzen mit ihrer Verkünstelung. Denn
Grenzen sollen gleichzeitig scheiden und doch auch gangbar
sein; wie schwer eine so gegenstrebige Forderung zu ver-
einigen ist, zeigt aber, daß schon die alte deutsche Felddienst-
ordnung mit Recht vor dem Weg, der Straße als Grenze
z. B. zwischen Vorpostenabschnitten warnte. So hart war die
Grenzachtung in Alteuropa begründet, daß aus der Strenge
germanischen wie römischen Agrarrechtes doch das Wort
„verrückt sein“, aber auch „delirare“ (Röm. gleich Abgehen
von der lira, der gerade gezogenen Furche) herkommt, wäh-
rend das französische delirer, bereits abgeleitet, schon nicht
mehr so bildlebendig ist. Diese von der Grenze hergenommene
Auffassung ist auch bei Landbauvölkern gar nicht überall zu
finden. Die ostasiatische Staatsphilosophie z. B. kommt zum
gleichen abgeleiteten Begriff durch die Zusammenstellung der
Zeichen für Tier und König (chigai), also des Menschen, in dem
das Tierische Herr geworden ist. „Verrückt sein“, „delirare“
ist also ein nur dem Europäer geläufiges, von der strengen
Grenzauffassung des Germanen- und Romanentums hergenom-
menes Bild! Es ist sehr fraglich, ob das leichter Grenzen über-
wallende Slawentum mit seiner „breiteren Seele“, wenn es zur
Zeit der Gestaltung der Grenzbegriffe in Europa selbst grenz-
schöpferisch aufgetreten wäre, auch auf dieses Sprachbild ab-
gekommen wäre (73).
Gewaltig ist denn auch der Einfluß des römischen Staatsvolks
auf die Grenzbegriffe der europäischen Kulturwelt und ihres
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