wenigstens — immer aufs neue erstehend — ihre Scheidekraft
erweisen. Das eben gehört auch zum deutschen Leid, daß der
Lebensraum unserer Volkheit weniger, als fast aller andern
Großvölker der Erde, von solchen Grenzen geschützt war, daß
um so mehr geographische Übergangszonen abgeschnitten, um
so mehr vereinzelte natürlich trennende Linien in diesen Macht-
kultur- und Wirtschaftskörper des innereuropäischen Über-
gangs aufgenommen wurden, je weiter er sich von den Grund-
lagen seines rassischen Werdens entfernte. Das galt leider, ob
er nun einerseits in den romanischen Kulturkreis verJüngend,
aber auch zerstörend eindrang;; ob er andererseits in die Welt
des Ostens sich hineinschob — zwar Kultur und Reife bringend,
aber natürlich auch Unbequemlichkeit durch Ordnungs-
ansprüche — oder ob er gar überseeisch in Streulagen auftrat,
willkommen und zugleich gefürchtet: alles in allem eine der
am meisten problematischen, grenzenlosen, faustischen Lebens-
erscheinungen unter den andern des Abendlandes! Es war seine
Tragik, als Jüngerer unter Reifen oder Reifer unter Jüngeren
auftreten zu müssen, von beiden Seiten empfangend, beide auf-
störend und befruchtend, aber doch nirgends gerecht verstan-
den, ähnlich wie Inder und Hellenen. Damit war er in der Er-
reichung fester und klarer Form unter den Völkern mehr als
andere gehemmt. Daher rührt auch seine innere Schwierigkeit,
sich mit Grenzen formsicher abzufinden. Viel Reden von guten
und schlechten, günstigen und ungünstigen Grenzen, schafft
ihm eigentlich mehr Verwirrung als Klarheit, wo es nicht aus
sehr sicherer Formerfahrung heraus geschieht, und ist dennoch
so landläufig gegenüber den Grenzerscheinungen der Erde. Ge-
rade beim Innereuropäer müßte das Grenzerlebnis vor dem
Grenzgerede und der Grenztheorie kommen.
Wissenschaftlich vorgehend sollte man eigentlich nur von
konkordanten, koinzidenten, zusammenfallenden Grenzen, dann
eben für fast alle Lebensformen gleich naturgemäßen Mark-
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