Beziehungen so besonders schwer macht, ist die Tatsache, auf die
ja auch in diesem Heft immer wieder hingewiesen werden mußte,
daß die mitteldeutsche Industrie keine einheitliche Industrie ist,
sondern aus einer außerordentlich großen Zahl von größeren und
kleineren Industriezweigen besteht, auf die die geschilderten Be-
sonderheiten in ganz verschiedenem Maße zutreffen, nicht nur dem
Grade der Auswirkungen, sondern auch der Art der einzelnen Be-
ziehungen nach. So ist es überhaupt falsch, von einem bestimmten
wirtschaftlichen Stande oder einer bestimmten Konjunktur der
mitteldeutschen Industrie zu sprechen, da die Verhältnisse in jedem
mitteldeutschen Industriezweig verschieden liegen, die Auswirkungen
der jeweiligen wirtschaftlichen Gesamtlage auf die einzelnen In-
dustrien also sehr verschieden sein können, oft sogar sein müssen.
So kann die Geschäftslage für die Metall- und Maschinenindustrie
ausgesprochen schlecht, für die Textilindustrie dagegen noch durch-
aus erträglich sein. Ja, bei der Verschiedenheit der Teilzweige
größerer Industrien untereinander wird selbst das für eine Industrie
gezeichnete Bild oft nur ein verwaschener Durchschnitt aus sehr
verschiedenen Einzelzügen sein. So kann ein mittlerer Geschäfts-
gang der Textilindustrie sehr gut nur ein rein zahlenmäßiger Durch-
schnitt aus einer ausgezeichneten Konjunktur in der Phantasiewirk-
warenindustrie und Spitzenindustrie, einer mittleren Lage in der
Wollindustrie und einer schlechten in der Baumwollindustrie und
Wirkerei sein. Selbst innerhalb einer einzelnen scheinbar ge-
schlossenen Industrie können die Verhältnisse noch denkbar ver-
schieden liegen: so kann die Luxusporzellanindustrie darnieder
liegen, während die Elektroporzellanindustrie gut beschäftigt ist.
In dieser außerordentlich großen Vielseitigkeit der mittel-
deutschen Industrie liegt also eine ungeheure Schwierigkeit für die
genaue Verfolgung des Ganges der Konjunkturen im einzelnen.
Weder die örtliche noch die fachliche Ausgliederung des Beobach-
tungsmaterials ist zurzeit genügend, um alle Einzelheiten mit der
wünschenswerten Deutlichkeit hervortreten zu lassen. Erwerbs-
losenzahlen, Angaben über den Kapitalbedarf, Produktions- und
Absatzziffern, Ausfuhrzahlen, Lohnsummen und was sonst als Unter-
lagen in Frage kommen mag, sind in der vorhandenen Form all-
zuoft bereits Durchschnitte aus sehr verschiedenen Einzelzahlen, so
daß einer sicheren Schlußfolgerung, die man aus ihrer Gestaltung
ziehen möchte, von vornherein jede Grundlage entzogen ist.
53
6»