Full text: Der österreichische Exporteur

Der österreichische Expo. 
Einfluß der 
yeographi- 
schen Lage 
Jer öster- 
reichische 
Kaufmann 
Verkehrswege 
Verkehrs- 
schranken in 
Mitteleuropa 
Unter den Umständen, die die Exportfähigkeit eines Landes beeinflussen, spielt die geographische 
Lage eine bedeutende, wenn auch keineswegs entscheidende Rolle. Wenn man die geographische 
Lage eines Landes als günstig bezeichnet, so trifft, dies — von wenigen Ausnahmen abgesehen — 
im allgemeinen nur mit. gewissen Einschränkungen zu, denn einerseits ist die Gunst ‚oder Ungunst 
der Lage kein zu allen Zeiten gleichbleibender Faktor, sondern im Laufe der weltwirtschaftlichen Ent- 
wicklung Wandlungen unterworfen, und anderseits kann die Lage eines „Landes. gewöhnlich nur 
mit Hinblick auf bestimmte Absatzgebiete oder bestimmte Klassen von Exportgütern als günstig, 
beziehungsweise als ungünstig bezeichnet werden. Diese Einschränkung gilt im besonderen Maße von 
3innenstaaten, die, soweit ihnen nicht Wasserstraßen oder kurze Eisenbahnverbindungen nach 
'remden Häfen zur Verfügung stehen, bezüglich des Exports schwerer Massengüter in der Haupt- 
;ache auf ihre Nachbarländer als natürliche Absatzgebiete angewiesen sind. 
Österreich besitzt nur einen einzigen Wasserweg von Bedeutung, die Donau, und die Bahn- 
verbindung zur nächsten erreichbaren Seeküste führt nach Triest, das wieder vorwiegend als Hafen 
ür den Verkehr mit dem Orient Bedeutung hat. Der österreichischen Ausfuhr wäre daher, von dem 
&xport nach den Nachbarländern abgesehen, zunächst eine west-östliche Richtung vorgezeichnet. 
Neben den Sukzessionsstaaten müßte folglich der Balkan sowie der nahe Orient um so mehr als das 
natürliche Absatzgebiet Österreichs gelten, als die österreichische Kaufmannschaft und Industrie 
auf Grund langer. Erfahrung eine genauere Kenntnis dieser Märkte besitzt und für die Bearbeitung 
der betreffenden Gebiete durch Kenntnis ihrer Landessprachen und Vertrautheit mit den psycho- 
logischen Eigentumiichkeiten der Bevölkerung besser vorbereitet. ist als die entsprechenden Be- 
rufskreise in den westlichen Staaten. Die Eignung, die Österreich und besonders Wien für den 
Verkehr mit den östlichen Märkten besitzt, haben die Wirtschaftssachverständigen W. T. Layton und 
Charles Rist, die im Sommer 1925 eine Enquete über die Lage der österreichischen Wirtschaft leiteten, 
als ein hervorragendes Aktivum des Landes erkannt und ungefähr folgendermaßen gekennzeichnet: 
„Kaufleute aller Länder werden nach wie vor durch die Vorteile, die eine große, moderne Stadt 
besitzt, nach Wien gezogen. Die Wiener Kaufmannschaft ist, dank ihrer genauen Kenntnis der an 
der Donau gelegenen Märkte, der natürliche Vermittler zwischen diesen und dem Westen. Von noch 
zrößerer Bedeutung ist weiters der Umstand, daß Wien der größte Finanzmarkt des östlichen 
Zuropa geblieben ist. Er bleibt nach wie vor in weitgehendem Maße der verteilende Vermittler aus- 
ändischer Kredite für weite Gebiete und die Wiener Banken bezeugen stets Interesse für großzügige 
ınd zukunftsreiche Unternehmungen.“ Über die banktechnische Organisation und die Stütze, die sie 
lem Außenhandel verleiht, wird noch später zu sprechen sein. 
Österreich besitzt bei einer Einwohnerzahl von 6,535.000 (Volkszählung vom 7. März 1923) und 
Äinem Flächeninhalt von 83.833 km? 31.252 km Landstraßen, 6625 km Vollbahnen und 364 km mit 
Jampfschiffen befahrene Wasserstraßen. Österreich ist daher ein wichtiges Durchfuhrgebiet für den 
uropäischen Warenhandel geblieben. . 
Daß sich der Einfluß der geographischen Lage, der auch von der wirtschaftlichen Struktur 
ler als natürliches Absatzgebiet von Österreich in Betracht kommenden Länder und von geschicht- 
ichen Tatsachen unterstützt, wird, bei weitem nicht voll auswirken kann, ist bekannt. Soweit die 
Nachbarländer, besonders aber die Nachfolgestaaten und der‘ Balkan in Betracht kommen, hat 
sich. ein, künstliches Hindernis in Gestalt der gegenwärtig herrschenden handelspolitischen Auf- 
{assung eingeschaltet. Ein sehr belehrendes Anschauungsmittel, das die Wirkung der zollpolitischen 
Absperrung deutlich zeigt, hat der englische‘ Volkswirtschaftler Sir Clive Morrison Bell ver- 
fertigt und im September 1926 in der Bank of England ausgestellt. Es handelte sich dabei um eine 
Karte Europas, auf welcher um jedes Land wirklich Mauern gezogen waren, die in ihrer Höhe 
dem relativen Ausmaß der von den betreffenden Staaten eingeführten Zollbelastung entsprachen. 
Aus der Karte war ersichtlich, daß Großbritannien und die Niederlande die niedrigsten Zölle haben, 
die, wenn man einen Index zu Hilfe nimmt, der Ziffer 6 entsprechen würden. Für Dänemark betrug 
die Indexziffer 7, für Belgien und Portugal 8. Frankreich, Deutschland und die skandinavischen 
Länder gehören zu einer Gruppe gemäßigter Schutzzollstaaten und ihre Indexziffern bewegen sich 
zwischen 12 und 15. Beiden zentraleuropäischen Staaten beginnt der Index 
mit 16 für Österreich, geht dann auf 18 für Rumänien, 19 für Bulgarien 
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