Bernhard Harms
mentaler Unterschied. Die Markteinstellung orientiert sich am Gefüge,
sieht Standort, Produktion, Zirkulation, Ware, Angebot und Nachfrage,
Hausse und Baisse, Geld und Kredit, läßt rein auf das Rationale ein-
gestellte Menschen in Eisen, Kupfer, Baumwolle, Getreide, Gefrierfleisch,
Leder und Holz oder in Fertigerzeugnissen denken. Für sie stehen im
Vordergrunde Wanderungen von Menschen und Kapital, agrare und
industrielle Standortsverschiebungen, Umwälzungen in den Produktions-
prozessen, das Absterben alter und das Aufkommen neuer Produktions-
zweige, Veränderungen in den Verkehrswegen und der Verkehrsinten-
sität, Wandlungen in den wirtschaftlichen und finanziellen Organisations-
formen usw. Die raumwirtschaftliche Einstellung aber geht vom Ganzen
aus, orientiert sich am Gebilde: sonderraumwirtschaftlich unter dem
Gesichtspunkt der Volkswirtschaft und des Staates, gesamtraumwirt-
schaftlich im Sinne der weltwirtschaftlichen Interessenverbundenheit
der Sonderraumwirtschaften und Einzelwirtschaften, die ihren äußeren
Ausdruck im internationalen Recht findet.
Es entspräche im Grunde der Aufgabe und hätte großen Reiz, den
Strukturwandlungen der Weltwirtschaft in der so gekennzeichneten
zweifachen Bedingtheit streng systematisch nachzugehen. Daß dies
schwierig ist, weil die gleichen Erscheinungen und ihre Umwandlungen
häufig individualistisch-marktwirtschaftlichem und raumwirtschaftlichem
Zielstreben zugleich unterliegen, ist an sich kein Grund, von diesem
Verfahren abzusehen, wohl aber gebietet es die einem Vortrage gesetzte
Zeit. Somit bleibt nichts anderes übrig, als das, was gemeint ist, an
bloßen Beispielen anschaulich zu machen. Die Zweiteilung soll dabei
jedoch grundsätzlich festgehalten werden.
Im Hinblick auf die Auswahl der Beispiele sei das Folgende bemerkt:
Wandlungen ihrer Struktur weist die Weltwirtschaft auf, seitdem sie
besteht; sie erfolgen teils in kurzwelliger, überwiegend in langwelliger
Entwicklung, zuweilen aber auch mit großer Plötzlichkeit. Die Geschichte
der Weltwirtschaft unter dem Gesichtspunkt ihrer Strukturwandlungen
muß noch geschrieben werden. Mein Vortrag will dazu nicht einmal
einen Beitrag liefern. Die Beispiele, die er anführt, beleuchten nicht die
Entwicklungsgeschichte der Weltwirtschaft, sondern beziehen sich aus-
nahmslos auf die jüngste Vergangenheit. Daraus darf jedoch nicht ge-
schlossen werden, daß diese Verschiebungen durch einen Vergleich
von Vor- und Nachkriegszeit erschöpfend behandelt werden könnten,
denn bedeutsame Strukturwandlungen, die sich in ihren Wirkungen
heute geltend machen, gehen in der Wurzel erheblich weiter zurück.
Allerdings ist es richtig, daß der Krieg ihr Tempo beschleunigt hat,
und daß er außerdem Ursache völlig neuer Strukturwandlungen
gewesen ist.