Full text: Hundert Jahre schlesischer Agrargeschichte

202 Ein Beifpiel für die Verfhledhterung der Lage des Landvolkes. 
Verpflichtungen der Untertanen. Fnfolgedefjen kam es zu zahlreihen Pro- 
zeffen und {Olieklich zu neuen Unruhen, befonders in den Gebieten, in denen 
bon vornherein [Hon ein fHiwerer Druck auf den Untertanen Iaftete, alfo in 
Polnifch-Schlefien und dem Grenzijtreifen. Wie im Gerbit 1765 begannen 
die Wirren im Sommer 177% wieder auf den Gütern des Grafen Wilhelm 
von Seßler im Leobjchüger Kreife, diesmal in Dirfhel. 
Um eine Vorjtellung zu gewähren, in weldher Weije die Untertanen 
itärfer belajtet . wurden, fol hier auf die dem Provinzialminifter unter- 
breiteten Befdhwerden der Landleute in Dirfhel näher eingegangen werden. 
Die Bauern MNagten unter anderem darüber, daß fie früher gemäß ihrem 
Urbar zivei Tage in der Woche fronden mußten, gegenwärtig aber drei „und 
zivar dergeftalt, daß wir des Morgens früh vor 5 Uhr bei unausbleiblichen, 
unbarmbherzigen Prügeln da fein und erft des Abends, wenn Ihon die Sterne 
am Simmel jtehen, abgehen dürfen. Zur Futterung haben wir mehr nicht als 
11/, Stunden Zeit, wo dann das Vieh fich kaum halb fatt frefjen kann, da die 
gerrfchaftlidhen Schafe auf unjere Hutung getrieben und dadırrch nicht allein 
unfjerem Vieh die Weide entzogen, fondern auch durch die Schafe verunreinigt 
mird“. Die Bauern befchwerten fidh ferner über die Bumutung, beim 
DH3üngerfahren, beim Einfahren des SGetreides vom Felde und den Markt- 
uhren größere Laften als früher zu Iaden; früher hätten fie nur fechszinkige 
Eggen benußt, jegt hätten fie fich Jiebenzinkige anfertigen Iajfjen miüffjen. Früher 
hätte zum Räumen der Gräben wegen der Borflut ein Arbeitstag ausgereicht, 
gegenwärtig müßten jie 4, 5 und mehr Tage darauf verwenden, „weil der 
Sraf Wege und Gräben hat umlegen laffen zu feiner Bequemlichkeit. Der 
Sraf läßt die Hüufer der Untertanen, obwohl fie ihre Käufe darauf haben, 
wegnehmen, einreißen, neu aufbauen, macht aus SGärtnerftellen Bauern- 
üellen (vermutlig um mehr Spanndienfte zu gewinnen), verfebt die Wirte 
von einem Gut auf das andere und zwingt die Eigentümer, das Gut aufs 
neue zut faufen“1). Zu allen diejen — wahrfheinlih wohl im Interefje 
eines intenfiveren Betriebes des Ritterguis unternommenen — Umbauten 
müßten die notwendigen Handdienfte umfonfjt geleiftet werden; auf Bauern- 
land Hätte der Graf eine Ziegelfheune angelegt. „Alle Shlammlöcdher und 
andere Pläge, wo noch für das Vieh einige Nahrung wäre“, Habe er ein- 
zäunen laffen; was er von feinen Erzeugnifjen nicht verkaufe, dränge er zu 
zemwaltig hohen Preijen feinen Untertanen auf; den mur zu zwei Zimwangs- 
gefindedienftjahren verpflichteten Waifen nötige er noch ein drittes Yahr ab. 
Die Gärtner Nagten, daß fie gegenwärtig mit ihren Frauen das ganze Jahr 
Hindurch täglich zur Arbeit fommen müßten, mährend fie früher nur im 
1) Geßler zog auch) eine Gärtnerftelle ein, um auf ihr eine evangeli{che Schule 
zu errichten. %. Graf Larifch, Hiftor.-topogr.-ftatiftifiche Befchreibung d. Dorfes 
Dirfichel, Breslau 1861. S. 12.
	        
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