Full text: Die Weltwirtschaftskonferenz

100 „4. Abschnitt. 1. 
lassen, die auf die Gesamtheit ihres Wirtschaftslebens zurückwirkt und 
ihren Lebensstandard senkt.“ ; 
Dem Frieden Europas und dem der ganzen kapitalistischen Welt 
droht noch eine: andere Gefahr: von dem bolschewistischen System 
Rußlands. Eine praktische Auseinandersetzung zwischen Individualis- 
mus und Kommunismus, wie sie auf der Weltwirtschaftskonferenz ver- 
sucht wurde, kann deshalb dem Weltfrieden nun heilsam sein. Mit der 
Erklärung, daß „die Teilnahme der Mitglieder aller anwesenden Länder 
ohne Rücksicht auf die Verschiedenheit ihrer wirtschaftlichen. Systeme 
als ein glückliches‘ Vorzeichen für eine friedliche wirtschaftliche Zu- 
sammenarbeit zwischen den Völkern“ zu betrachten sei, haben sich 
nicht nur die Vertreter des kapitalistischen Systems dem bolschewisti- 
schen gegenüber auf einen abwartenden Standpunkt gestellt, sondern 
auch die Sowjetdelegierten haben mit derselben einen Verzicht auf das 
Hindrängen zur Weltrevolution angemeldet. Als theoretische Stellung- 
nahme bedeutet das eine radikale Wendung in der russischen Politik, 
wenn man auch praktisch von der Vertrauenswürdigkeit solcher Er- 
klärungen nicht allzuviel hält. 
Aus dem Bereiche allgemeiner Erklärungen, die wünschenswerte Ten- 
denzen vorzeichnen, tritt die Friedensidee in das Stadium tatsächlicher 
Lebensgestaltung mit dem Beschlusse, daß in Zukunft als Schiedsstelle 
für Handelsvertragsstreitigkeiten der internationale Gerichtshof im 
Haag, der mit dem Völkerbund eng verknüpft ist, angerufen werden 
könne. Noch weitgehender sind die zahlreichen Entschließungen, die 
den Kampf gegen den großen Friedensstörer der Nachkriegszeit, gegen 
den Überprotektionismus aufnehmen. Die Konferenz erklärte feierlich, 
daß „der Augenblick gekommen ist, jeder Überschreitung der Zolltarife 
ein Ende zu setzen und sich.in entgegengesetzter Richtung zu orien- 
tieren‘. Diese Forderung nach Inaugurierung einer neuen Ära in der 
Handelspolitik, die Zurückdämmung der steigenden Flut wird keinen 
allgemeinen Frieden, viel weniger einen ewigen Frieden bringen; sie 
kann aber zu einem zeitweisen Frieden, zu einem wirtschaftlichen. Got- 
tesfrieden verhelfen. Dieser wirtschaftliche Gottesfrieden soll die Kriegs- 
gefahr, die dem ständigen zollpolitischen Wettrüsten innewohnt, für 
eine .Zeit bannen und zur. Vorbereitung der öffentlichen Meinung gegen 
den Protektionismus eine Atempause gewähren. 
Das „bis hierher und nicht weiter“ der Konferenz ist denn auch 
nicht ohne Widerhall geblieben. Dem Einflusse dieses Mahnwortes ist 
es gewiß zuzuschreiben, daß die französische Regierung sich bereit er- 
klärte, den knapp vor Beginn der Weltwirtschaftskonferenz vorgeleg- 
ten hochschutzzöllnerischen Tarifentwurf einem Ausschuß zur neuer- 
Kchen Überprüfung vorzulegen. Die Beschlüsse der Genfer Konferenz 
haben die Opposition gegen den neuen Zolltarif beträchtlich ermutigt. 
Auch die deutsche Reichsregierung hat vor kurzem amtlich verlautbart, 
daß sie im Sinne der Entschließungen der Weltwirtschaftskonferenz an 
den Abbau der Industriezölle herangehen wolle. Die Reichsregierung
	        
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