Full text: Die Weltwirtschaftskonferenz

106 4. Abschnitt, IV. 
kanen, bei den internationalen Zusammenschlüssen der Industrie ein: 
gesetzt, die dadurch zu erfolgreichen Trägern der Rationalisierung 
wurden. Es wurde im übrigen wiederholt darauf hingewiesen, daß der 
aufsteigenden Entwicklung der amerikanischen Wirtschaft zwar die 
große Bedeutung des Innenmarktes zugute komme, die Bedeutung des- 
selben jedoch in Europa überschätzt werde, da auch in Amerika den 
Rationalisierungsbestrebungen häufig die verschiedene wirtschaftliche 
Struktur der einzelnen Distrikte hindernd im Wege steht. 
Was endlich die Gefahr der Amerikanisierung der europäischen Zi- 
vilisation anbelangt, wäre zu bedenken, ob nicht das höhere Lebens- 
niveau der Massen, dessen sich die amerikanische Arbeiterschaft er- 
freut, eine größere Sicherung für die Entwicklung der europäischen 
Kultur bildet, als das Festhalten an traditionellen, aber überlebten Pro- 
duktionsmethoden? Die Befürchtung, daß unter einem technischen und 
wirtschaftlichen Vorsprung die Kultur leiden könne, beruht auf unse- 
rer einseitigen Einstellung zum Kulturproblem 1. 
Aber Rationalisierung in Technik und Wirtschaft sind nur Mittel, 
deren Endzweck nicht die Produktion, sondern die Hebung des Lebens- 
standards der Menschheit ist. Im Wege der Verbilligung des Produkts 
und damit der Steigerung des Konsums soll das Ziel erreicht werden, 
dem alle Probleme der Rationalisierung: Erhöhung des Ertrags, Ver- 
besserung der Arbeitsbedingungen, Verbilligung der Gestehungskosten 
untergeordnet sind. 
Die Weltwirtschaftskonferenz hat die Rationalisierung in den Mittel- 
punkt der industriellen Fragen gestellt und als „Kernproblem“ be- 
trachtet, „wie die Produktionskosten und damit die Preise herabge- 
setzt werden könnten, um zu einem besseren Gleichgewicht zwischen 
Leistungsfähigkeit und Nachfrage zu gelangen, ohne daß dabei die In- 
teressen des Verbrauchers oder des Arbeiters geschädigt werden‘ 2). 
Jedoch nicht nur die Industrie, alle anderen Produktionszweige sollen 
technisch und wirtschaftlich auf das höchste rationalisiert werden, nur 
so kann es gelingen, „Europa seine wirtschaftliche Stellung zurückzu- 
gewinnen‘ ?). Von‘ den anderen Produktionszweigen wird noch die 
Landwirtschaft als dankbares Gebiet der Rationalisierungsbestrebungen 
eingehender behandelt. Während in der Industrie vorläufig die in- 
ternationalen Vereinbarungen der Kartelle die Hebel einer großzügigen 
Rationalisierung sind, könnten in der Landwirtschaft internationale 
Vereinbarungen zwischen landwirtschaftlichen Genossenschaften zur 
Steigerung der Leistungsfähigkeit, zur Verbesserung und Vereinheit- 
Hchung der Erzeugnisse, zur Stabilisierung der Preise und Gewinnung 
der Absatzmärkte, kurz zur weitgehenden Rationalisierung der Wirt- 
schaft herangezogen werden. Eine Rationalisierung internationaler 
Natur ist der Endzweck der Bestrebungen zur. Stabilisierung der Welt- 
1) Siehe Hantos, Kulturproblem in Mitteleuropa 1926 S, 23. 
?) Siehe Entschließungen über Industrie. Allgemeine Erwägungen. Mantelnote 8.18.
	        
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