Full text: Die Weltwirtschaftskonferenz

Die Bedeutung und der Verlauf der Weltwirtschaftskonferenz, 35 
Bei voller Würdigung der Konferenzziele und Konferenzergebnisse 
kann nicht übersehen werden, daß die Konferenzbeschlüsse eine Reihe 
von Mängeln aufweisen, die ihnen den Anspruch, als Magna Charta der 
Weltwirtschaft zu gelten, wie man sie volltönend genannt hat, — zu- 
mindest strittig machten. Das in Genf vorliegende Material reichte nicht 
aus, einzelne Hauptfragen erschöpfend zu behandeln. Es fehlte sozusa- 
gen jeder Anhaltspunkt zu einem internationalen Vergleich in den Fra- 
gen der wichtigsten Preisbildungsfaktoren, der Zollbelastungen, der In- 
dustrieproduktion, des Verhältnisses der Agrar- und Industriepreise 
usw. Daher der energische Ruf der Konferenz nach einem internationa- 
len Informationsdienst, nach dem Ausbau der Berichterstattung und der 
Statistik. Außer der Unvollkommenheit des Unterlagenmaterials ist an 
einzelnen Beschlüssen ihre Kompromißnatur zu klar erkenntlich. Als 
Niederschlag der Gegensätze können sie keinem Standpunkte gerecht 
werden und in ihrer vorsichtigen Formulierung können sie keine Wir- 
kung ausüben. 
Mehr als ein Schönheitsfehler war es auch, daß brennende Probleme 
der Weltwirtschaft offiziell von den Verhandlungsgegenständen der Kon- 
ferenz ausgeschlossen waren. So konnte in den Fragen der internatio- 
nalen Verschuldung, der Bevölkerungsbewegung, der internationalen 
Wanderungen und der sozialen Beziehungen verschiedener Klassen kein 
Beschluß gefaßt werden. Die Empfindlichkeit gegenüber dem Problem 
der internationalen Kriegsschulden und der Reparationsfrage hat es 
verhindert, in die Beschlüsse der Konferenz einen Absatz hineinzubrin- 
gen, der darauf hinweist, daß die durch Kriegsschulden und Repara- 
tionen belasteten Länder auf gesteigerte Ausfuhr und damit auf wohl- 
wollende zollpolitische Behandlung ihrer Exportwaren angewiesen sind, 
Der starre Standpunkt der Konferenz in dieser Frage hat die deutsche 
Delegation veranlaßt, von der Vorlegung eines Expose über die wirt- 
schaftliche Lage ihres Landes abzusehen!), da sie der Ansicht war, 
daß sie in einer solchen Denkschrift die Frage der Lasten, die sich aus 
dem Dawes-Plan ergeben, nicht nur nicht übergehen könnte, sondern 
sie als Zentralproblem der deutschen Wirtschaft an die Spitze ihrer 
Ausführungen stellen müßte. Ähnliche Zurückhaltung, wie in der Repa- 
rationsfrage, hat die Atmosphäre der Konferenz ihren Mitgliedern auch 
in der Behandlung der Bevölkerungs- und Wanderungsfragen auferlegt. 
Zahlreiche Vertreter verschiedener Länder streiften diese Probleme und 
suchten nachzuweisen, daß es aussichtslos sei, schematisch eine Mil- 
derung der Zölle und sonstiger Schutzmaßnahmen zu fordern. wenn 
1) Das vorbereitende Komitee der Konferenz hat angeregt, daß als Grundlage zur 
Generaldebatte alle Staaten ihre Lage vom weltwirtschaftlichen Standpunkte beleuchten 
und in einem Expose der Konferenz vorlegen mögen. Der diesbezüglichen Aufforderung 
des Völkerbundsekretariats haben denn auch die meisten Staaten Folge geleistet, und 
die Länderberichte sind unter dem Titel: „Principaux aspects et problemes de 1a situa- 
tion 6conomique mondiale au point de vue des diff&rents pavs.‘“ Serie I—V. in der 
Dokumentation der Konferenz erschienen.
	        
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