Die Bedeutung und der Verlauf der Weltwirtschaftskonferenz. 37
waren. Die zweite nahm den überaus größten Teil der Zeit in Anspruch
und entfällt auf die Arbeiten der einzelnen Kommissionen. Die dritte
währte drei Tage und war mit der Stellungnahme zu den Kommissions-
berichten und der Beschlußfassung ausgefüllt.
Die Konferenz eröffnete Präsident Theunis (Belgien) am 4. Mai
vormittags im Saale der Reformation mit einer Ansprache, in der er
einen Rückblick auf die anderthalbjährige Vorbereitung der Konferenz
warf und die Aufgaben der Konferenz skizzierte. Die Prüfung der all-
gemeinen Wirtschaftslage der Welt soll nach den drei großen Gruppen
Handel, Industrie und Landwirtschaft erfolgen, wobei auch die damit
zusammenhängenden Finanz- und Bevölkerungsprobleme herangezogen
werden können; doch sollen insbesondere die Handelspolitik, die Zölle
und die internationalen Kartelle in den Mittelpunkt der Verhandlungen
gestellt werden. Dabei werden die europäischen Fragen naturgemäß
eine überwiegende Rolle spielen. Als die wesentlichsten wirtschaft
lichen Krankheitssymptome der Nachkriegszeit bezeichnete der Präsi-
dent die allgemeine Verarmung Europas, das Fieber der Ausgabenstei-
gerung, das Nachlassen des Sparsinns, die vielfach künstlichen natio-
nalen Industrien der neuen Staaten und den allseitigen Protektionis-
mus. Die letzteren Erscheinungen seien vielfach verhängnisvoller als
die materiellen Schädigungen des Kriegs. Die gewaltige Aufgabe der
Sanierung der Weltwirtschaft ist nicht wie mit einem Zauberstab zu
bewältigen. Stein auf Stein muß das zu errichtende Gebäude aufgeführt
werden, wenn man die Welt auf jenem Wege der Entwicklung weiter-
Führen wolle, der ihr durch den Völkerbund gewiesen werde und der
zu einer vermehrten internationalen Solidarität führen müsse.
Die allgemeine Aussprache eröffnete Professor Cassel (Schweden),
indem er auf die falschen wirtschaftlichen Vorstellungen verwies, die
von unheilvoller Wirkung für die Entwicklung sind. Unter den So-
phismen, die die weltwirtschaftliche Lage beherrschen, sei keine so ge-
fährlich wie die populäre Auffassung, die Produktionsfähigkeit der Welt
sei zu groß und der Welt fehle die hinreichende Kaufkraft, um die ge-
samte Produktion der Weltwirtschaft aufnehmen zu können. Diese
Lehre von der Überproduktion und der unzureichenden Kaufkraft ist
falsch. Demgegenüber steht fest, daß die Industrie mit zu hohen Pro-
duktionskosten arbeitet, ihre Erzeugnisse sind infolgedessen zu feuer;
die Urproduktion vermag diese hohen Kosten nicht zu zahlen; daraus
folge in erster Linie ein ungenügender Absatz für die industrielle Pro-
duktion und Arbeitslosigkeit für ihre Arbeiter, in zweiter Linie eine
schlechte Entwicklung der Landwirtschaft, weil sie nicht mit hinrei-
chenden industriellen Hilfsmitteln ausgestattet wird; als Endergebnis
wird die Weltwirtschaft in ihrer Gesamtheit ärmer und die Mensth-
heit schlechter versorgt. Die Ursachen der unnatürlichen Preissteige-
rung der Industrieprodukte, die mit der wirklichen Marktlage nicht ver-
einbar ist, sind in den monopolistischen Tendenzen zu suchen, von denen
die drei hauptsächlichsten Arten das Zollschutzsystem, die Arbeiter-