Die Bedeutung und der Verlauf der Weltwirtschaftskonferenz. 49
zösischen Delegation *), die vom Direktor des französischen Amtes für
Handelsverträge, Serruys, ausführlich begründet wurden, Drei Haupt-
fragen seien zu lösen: Die Frage der Handelsfreiheit, die der einheit-
lichen Nomenklatur. und die des Tarifsystems. Das Programm soll
etappenweise in 10, 15 oder 20 Jahren unter der Ägide des Völker-
bundes verwirklicht werden. Dubois (Schweiz) wandte sich mit Nach-
druck gegen diese langen Termine. Das Haus brennt. Heute treibe ein
Land das andere mit seinen Zolltarifen in die Höhe. Die Konferenz
müsse moralischen Einfluß üben auf die Zolltarife, die in Vorbereitung
sind. Professor Cassel schloß sich sinngemäß diesen Ausführungen
an. Riedl (Österreich) begründete seine Vorschläge zur Vereinheit-
lichung der Nebenabreden der Handelsverträge und forderte eine Än-
derung der Denkweise, mit der man heute Handelsvertragsverhandlun-
gen eingehe; das Ziel müsse eine weitgehende Ermäßigung der uner-
träglich hochgeschraubten Zolltarife sein. Staatssekretär Trendelen-
burg meinte, man müsse über die einheitliche Nomenklatur hinaus
auch zu einem einheitlichen Tarifsystem kommen, man könne auch
nicht den einzelnen Staaten grundsätzlich die vollkommene und unbe-
schränkte Souveränität über ihre wirtschaftspolitischen Maßnahmen
lassen. So könne man nicht ohne weiteres anerkennen, daß es Sache
der einzelnen Staaten sei, darüber zu entscheiden, ob die angelsächsi-
schen Länder prozentuelle Wertzölle oder, wie die meisten kontinen-
talen Länder, feste spezifische Zölle für jede Warengattung erheben.
Auch die Berufung auf die Notwendigkeit der nationalen Rüstung dürfe
nicht die internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit unmöglich
machen. Anderenfalls wäre die ganze Konferenz umsonst.
Von den drei Unterausschüssen war es der zweite (Zolltarife und
Handelsverträge), dessen Verhandlungen besondere Aufmerksamkeit
verdienen. Dr. Schüller (Österreich) leitete dieselben mit einem
Rückblick auf die Handelspolitik der letzten dreißig Jahre ein, in der
die steigende Tendenz bemerkbar ist, nicht die Ausfuhr zu heben, son:
dern durch protektionistische Maßnahmen die Einfuhr zu vermindern,
Fräulein van Dorp verweist auf die Tatsache, daß von den fünf
herrschenden Problemen: Rohstoffe, Truste, Löhne, Bevölkerung und
Freihandel bloß das letzte in die Kompetenz der Konferenz gehöre.
Sie bedauere, daß auch diese Frage, ebenso wie das Problem des euro-
päischen Zollvereins, auf der Tagesordnung fehle. Norman Davis
(V. St. v. A.) entwickelte den Standpunkt der Vereinigten Staaten hin-
sichtlich der Meistbegünstigungsklausel, zu deren voller Anwendung
man 1922 zurückgekehrt sei, nach den Erfahrungen, die man ein
Jahrhundert hindurch mit der bedingten Klausel gemacht hat. Layton
(Großbritannien) hält es für notwendig, die öffentliche Meinung durch
Festsetzung von praktischen Richtlinien zu führen, auch wenn die Be-
schlüsse nicht unmittelbar vollstreckt werden könnten. Droracek
1) Siehe Journal No. 6 vom 10. Mai1l1927, S, 75.
Hantos, Die Weltwirtschafitskonferenz.