Die Problematik der Weltwirtschaftskonferenz. 59
kurrenzbedingungen des Verkehrs und der Kredite, manchmal vielleicht
allein die ansteckende Wirkung des Beispiels sind nach Ansicht der
Konferenz die Ursachen, daß jede Maßnahme, die zu einem bestimmten
Zeitpunkt von einer gewissen Nation ergriffen wird, ihre Rückwirkung
auf die Gesamtheit der übrigen Nationen ausübt.
Über diese streng nationalistische Politik fällt die Konferenz ein
scharfes Urteil. Sie schade nicht nur dem Volke, das sie führt, sondern
der ganzen Völkerfamilie und setzt dadurch ihr eigenes Ziel matt.
Wenn daher gewünscht wird, daß der neue Geist, der aus den Verhand:
lungen der Konferenz hervorgeht, sich bald in praktischen Handlungen
auswirke, so muß die Ausführung dieses Programmes den Grundsatz
des parallelen oder übereinstimmenden Vorgehens der Völker beinhal-
ten. In diesem Falle wird das einzelne Land nicht ängstlich bloß auf
seine eigenen Vorteile bedacht sein, sondern. auch den Vorteil der Ge-
samtheit in den Augen behalten und zur Einsicht gelangen, daß die Zu:
geständnisse, die man von ihm verlangt, ihr Gegenstück in den ent
sprechenden Opfern der anderen finden.
In ihrem zusammenfasssenden Überblick über die gegenwärtige
Weltlage des Handels kommt die Konferenz zum Schlusse, daß die
Hindernisse des Warenaustausches die Heilung der durch den Krieg
verursachten Schäden über Gebühr verzögert haben. Einige der hem-
mendsten. Erschwerungen sind beseitigt worden, und dieser Tatsache
ist es zu verdanken, daß der Welthandel in der letzten Zeit eine Bes-
serung erfahren hat.
B. Die Neuorientierung der Handelspolitik.
Die Wirtschaftsgeschichte des letzten Jahrzehntes hat einen Sieges-
zug des Schutzsystems zu verzeichnen, der sich unter schweren Ver-
letzungen des Freihandelsprinzips vollzogen hat. Die wirtschaftliche
Weltlage dagegen ist eine wuchtige Anklage gegen die ausgedehnte
Herrschaft des protektionistischen Wirtschaftssystems. Die Weltwirt-
schaftskonferenz hat sich damit begnügt, den Überprotektionismus der
Nachkriegszeit zu verurteilen, ohne zu den beiden Systemen der Han
delspolitik, Freihandel und Schutzzoll, im Prinzipe Stellung zu nehmen.
Als wichtigste Schlußfolgerung ihrer handelspolitischen Erwägungen
hat die Konferenz die These proklamiert, daß der Augenblick be-
reits gekommen sei, der Erhöhung der Zolltarife ein
Einde zu setzen und sich in entgegengestizter Richtung
zu orientieren. Der stark freihändlerische Geist, der die Konferenz
durchwehte, war durch die streng realpolitische Erkenntnis einge
dämmt, daß „eine Beseitigung oder fühlbare Abtragung der Zollmauern
nicht mit einem Schlage durchgeführt werden kann, ohne Verwirrung
zu verursachen‘, Auch der wesentlich bescheidenere Vorschlag der
österreichischen Delegation, die Staaten mögen sich über eine be-
stimmte Obergrenze im Verhältnis zum Werte einigen, welche die Zoll