Die Problematik der Weltwirtschaftskonferenz, 63
ihre Tarife erhöhen können, ohne Repressalien für ihre Ausfuhr be-
fürchten zu müssen. Gegen diese Nachteile trachtet man sich zwar
durch die kurzfristige Kündbarkeit der Handelsverträge zu schützen,
die die Aufhebung der Meistbegünstigung ermöglichen soll, verhindert
aber derart die Stabilisierung des Wirtschaftsverkehrs.
Wenn das Meistbegünstigungsprinzip so ausartet, wäre es beinahe
vorteilhafter, dasselbe ganz abzuschaffen. Das Prinzip ist aber von
derart grundlegender Bedeutung für den internationalen Warenaus
tausch, daß alles getan werden muß, uml es zu erhalten. Daraus folgt,
daß eine Grenze gezogen werden muß für die Aufteilung der Zoll-
tarıfe. Ein Zollsatz soll sich wenigstens auf eine ganze Warengattung
beziehen, ohne Rücksicht auf den Ursprung der Waren. Ferner sollte
eine internationale Vereinbarung über den wirklichen Inhalt der Meist
begünstigungsklausel getroffen werden, da in der Deutung dieses Be-
griffes sich viel Willkür geltend macht, was eine allgemeine Unsicher-
heit in die Anwendung der Handelsverträge bringt. Gelingt es, eine
von allen Ländern anerkannte Definition des Meistbegünstigungs-
prinzips zustande zu bringen, so hätte der nächste Schritt darin zu be-
stehen, daß dieses Prinzip zu einem allgemeinen internationalen Recht
erhoben würde.
Die Schlußfolgerungen der Konferenz tragen allen diesen Wünschen
Rechnung. Das gegenseitige Zugeständnis der eingeschränkten Meist-
begünstigung in Bezug auf Zölle und auf die Bedingungen des Handels
wird als wesentliche Voraussetzung der freien. und normalen Entwick-
lung des Warenaustausches zwischen den Staaten erklärt. Im Interesse
der Stabilität und Sicherheit des Handels wird aufs dringendste ge-
wünscht, daß diese Vereinbarung für eine ausreichend lange Dauer
durch Handelsverträge gesichert werde. Die Klausel selbst soll sowohl
in Form als in Deutung den umfassendsten. und liberalsten Charakter
tragen und weder durch ausdrückliche Bestimmungen noch auf dem
Wege der Auslegung irgendwie abgeschwächt oder eingeschränkt wer-
den. Das Wirtschaftskomitee des Völkerbundes soll Studien einleiten
zur Festsetzung von klaren und einheitlichen Grundsätzen für alle
Länder bezüglich der Auslegung und Bedeutung der Meisthegünsti-
gungsklausel für Zölle und andere Abgaben.
Die Streitigkeiten, die sich bei der Anwendung der Meistbegünsti-
gungsklausel in den letzten Jahren ergaben, ließen es wichtig erschei-
nen, jedwede Mißhelligkeit in bezug auf die Anwendung, Auslegung
und Ausdehnung der Handelsverträge friedlich und einträchtig zu er-
ledigen. Schiedsgerichtsklauseln kamen auch bisher in den Handels:
verträgen vor, Ihre Anwendung aber war nur vereinzelt und zögernd.
Der Internationalisierung der Schiedsgerichtsbarkeit kommt heute eine
erhöhte Bedeutung zu, da der gegenwärtige Rechtszustand die Voll-
streckung von Schiedssprüchen im Auslande fast ausnahmslos nicht
zuläßt. Die Konferenz schlägt vor, den Schiedsspruch als regelmäßiges
Erledigungsmittel für Meinungsverschiedenheiten einzuführen und zu