22 3. Abschnitt. IIA.
Arbeiterschaft, die in vielen Ländern nur mühsam ‚auf der Höhe der
Lebenserhaltungskosten gehalten wird.
5. Das Heer der Arbeitslosen, das in Europa unter Einschluß der An-
zehörigen 20 Millionen Köpfe umfaßt. ;
6. Die Verteuerung der Leihanstalten.. Für langfristige Darlehen wer-
den 7—9% bezahlt, Summen, die nicht herauszuwirtschaften sind.
7. Ein schwerer Steuerdruck. Die in der Inflationszeit verschwun-
denen Schulden haben sich unter dem Druck, der Steuern und der un-
günstigen Preisverhältnisse rasch wieder eingestellt. Für Deutschland
wurde festgestellt, daß unter Einschluß der aufgewerteten Schulden
die aufzubringende Zinssumme jetzt nicht geringer ist, als vor dem
Kriege. Unter Einschluß der steuerlichen Mehrbelastung hat die Land-
wirtschaft sogar doppelt so viel aufzubringen, wie in ‚der Vorkriegszeit.
Die Ursachen der Depression weisen ın Übereinstimmung mit. den
ziffermäßigen Erhebungen des Denkschriftenmaterials 1) darauf hin,
laß der niedrige Preis der Agrarprodukte und die schlechte Lage der
zesamten Landwirtschaft nicht auf eine ungewöhnliche Steigerung der
Produktion von Nahrungsmitteln zurückzuführen ist, sondern darauf,
daß die Nachfrage gewisser europäischer Industriegebiete nicht aus-
reicht, diese Erzeugnisse voll aufzunehmen. Die Lösung des Pro-
blems kann daher nicht auf dem öfters versuchten Weg einer Ein-
schränkung der landwirtschaftlichen Produktion (Übergang zur exten-
siven Bewirtschaftung) gesucht werden, es wird im Gegenteil eine Aus-
dehnung der Agrarproduktion im Interesse des Weltwohlstandes gefor-
dert. Was not tut, ist eine gemeinsame Anstrengung und ein enges Zu-
;ammenarbeiten von Industrie und Landwirtschaft. Denn wie die Aus-
lehnungsfähigkeit der Landwirtschaft von der Entwicklung der Indu-
strie bestimmt ist, so sind auch der Ausdehnungsfähigkeit der Indu-
strie von der Landwirtschaft Grenzen gezogen, einerseits durch die
Nachfrage nach ihren Erzeugnissen, andererseits durch die Menge von
Nahrungsmitteln und Rohstoffen, die die Landwirtschaft liefert.
Indessen gibt es auch technische Mittel, die fähig sind, die Agrar-
produktion beträchtlich zu entwickeln. Die Weltwirtschaftskonferenz
lenkt die Aufmerksamkeit auf folgende: 1) allgemeine Anwendung tech-
nischer Verbesserungen und wissenschaftliche Organisierung des Be-
triebes in Ackerbau und Viehzucht; 2) Schädlingsbekämpfung; 3) ver-
besserte Absatzmethoden ; 4) Standardisierung der Agrarprodukte;
5) Ausbau des landwirtschaftlichen Kredit- und Versicherungswesens.
Während diese Verbesserungen der Lage der Landwirtschaft in erster
Linie das Werk der Landwirte selber sein müssen, hat die Konferenz
auch Maßnahmen ins Auge gefaßt, die in erster Reihe von den Ge-
1) Von den Denkschriften sind hervorzuheben: Das von dem römischen Internationa-
len Landwirtschaftsinstitut vorbereitete Memorandum: Les questions a gricoles
au point de vue international, Gentve 1926; das vom Internationalen Arbeits-
amt vorgelegte Dokument: Le rapport du coüt du travail agricole au co4t
total de la production dans l’agriculture, Genäve 1926.