Full text: Die Weltwirtschaftskonferenz

Die Problematik der Landwirtschaft. 95 
ablehnten. Infolge dieser Meinungsverschiedenheiten wurde beschlos- 
sen, mit der Organisierung von besonderen inländischen Agrarkredit- 
instituten zu beginnen, dort, wo solche noch nicht bestehen, und den 
Völkerbund zu ersuchen, den Ergebnissen der vom Landwirtschaft- 
lichen Institut in Rom unternommenen Kreditenquete Beachtung zu 
schenken und die Möglichkeiten einer internationalen Zusammenarbeit 
auf diesem Gebiete zu prüfen. Als beste Form für die Organisation des 
landwirtschaftlichen Kredites wurde übereinstimmend die Kreditge- 
nossenschaft erklärt, die mit Mitteln arbeitet, die die Gesamtheit ihrer 
Mitglieder selbst, mit oder ohne staatliche Hilfe, schaffen und ver- 
mehren könnte. 
Angesichts dieser Beschlüsse kann gesagt werden, daß die Erkennt 
nis von der Bedeutung des Genossenschaftswesens und der Notwen- 
digkeit seiner Förderung auf der Konferenz große Fortschritte gemacht 
hat. Es ist nur zu verständlich, daß einzelne Redner in der Begeisterung 
für die Sache zu weit gegangen sind. Sie veranlaßten den Referenten 
Hermes, im Interesse des „normalen‘ Handels und gegen eine Ver- 
quickung der Genossenschaften mit den Notenbanken das Wort zu er- 
greifen. Auch die russische Delegation hat grundsätzlich für die ge- 
nossenschafiliche Organisation der Landwirtschaft Stellung genommen, 
allerdings mit dem Hinweis, daß sie in derselben den Weg erblicke, 
der die Bauernschaft zur Sozialisierung der Produktion führe. Wenn 
die Delegation dennoch gegen die genossenschaftlichen Beschlüsse der 
Konferenz stimmte, so tat sie es deshalb, weil die Agrargenossenschaf- 
ten Rußlands nur die Landarbeiter umfassen und die reichen Bauern. 
die keine körperliche Arbeit verrichten, aus den Organisationen aus 
schließen. 
Zaghafter und unklarer sind die Forderungen der Landwirte hinsicht 
lich der zu befolgenden sozialpolitischen und handelspoliti- 
schen Richtlinien. Der landwirtschaftliche Arbeiter soll dem In- 
dustriearbeiter gleichgestellt werden, die soziale Gesetzgebung jedoch 
soll „den besonderen Verhältnissen der Landwirtschaft“ angepaßt 
werden. In handelspolitischer Hinsicht wird die Aufhebung aller Hin- 
dernisse des Handels mit Agrarprodukten empfohlen, ausgenommen 
Fälle, in denen „die Aufhebung eine Gefahr für die vitalen Interessen 
einzelner Länder oder deren Arbeiter‘ bedeuten würde. In den Staa- 
ten mit Zollschutz wird eine Herabsetzung desselben in. gleichem Maße 
für die Industrie, wie für die Landwirtschaft auf ein für die Erzeugung 
notwendiges Minimum vorgeschlagen, Als wichtig wird betont, daß 
überall ein handelspolitisches Gleichgewicht zwischen In- 
dustrie und Landwirtschaft aufrechterhalten werden soll. 
Empfehlungen zur Vervollkommnung des agrarischen Buchhal- 
tungswesens und zur Ergänzung der Agrarstatistik schließen die 
Reihe der Maßnahmen, die die Konferenz als erfolgreiche Mittel zur 
Besserung der Lage der Landwirtschaft betrachtet. Ihre Aufgabe wäre 
vor allem. durch Verringerung der Produktionskosten der Landwirt-
	        
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