Rationalisierung im Handwerk
VON OBER-REGIERUNGS-RAT WALTER BUCCERIUS
Direktor des badischen Landesgewerbeamtes in Karlsruhe
FRANKFURTER ZEITUNG
L MORGENBLATT VOM 9. JULI 1926
Das Handwerk von heute ist nicht mehr das alte Handwerk,
auch nicht mehr das zur Zeit unserer Väter. Es sind andere
Kräfte, die dem heutigen Handwerk dienen, und andere Voraus-
setzungen, unter denen es sein technisches und wirtschaftliches
Schaffen entfalten muß. Nicht immer gern und ireudig, olt ge-
zwungen von den Mächten der technischen Entwicklung und der
modernen Wirtschaft hat sich ein neues Handwerk gebildet.
Das moderne Handwerk hat sich vor allem die Vorteile, die
in dem Ersatz der Handarbeit durch Maschinen-
arbeit liegen, in den letzten . Zeiten immer mehr zunutze
gemacht, besonders seitdem durch den Elektromotor eine ge-
eignete Kraftquelle für den Handwerksbetrieb geboten ward
und die elektrische Energieerzeugung es auch dem kleinsten
Betrieb in dem fern vom Verkehr gelegenen Landstädtchen er-
möglicht hat, sich des Maschinenbetriebes zu bedienen. Aber es
besteht trotzdem ein wesentlicher Unterschied zwischen dem
Zweck, den das Handwerk mit der Verwendung von Maschinen
verfolgt, und dem, der die Industrie bei der Mechanisierung
der Produktion bestimmt. Der Handwerker will die Maschinen
vorwiegend als Ersatz der Werkzeuge durch ein verbessertes
Produktionsmittel benutzen, Die Maschinen sind für ihn ge-
wissermaßen ein vervollkommnetes Handwerkszeug, mit dem
die Arbeiten leichter, genauer und natürlich auch schneller
ausgeführt werden können. Die Grundlage des handwerklichen
Schaffens bildet immer die Handarbeit, sie beherrscht das
Arbeitsgebiet, Daher hat auch heute noch die Ausbildung im
handwerklichen Können, in den Handfertigkeiten und allen
anderen technischen Fähigkeiten ausschlaggebende Bedeutung,
Sie hildet gewissermaßen den Lebensnerv des Handwerks,
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