Full text: Die Industrialisierung der deutschen Landwirtschaft, eine neue Phase kapitalistischer Monopolherrschaft

‚chaft und zur Erhöhung der Agrarpreise den Profitinteressen der 
zapitalistischen Agrarunternehmer nicht genügte. Sie verwiesen auf 
die Preisschere zugunsten der Industrie, auf die viel höheren Indu- 
striezölle, auf die starke Steuerbelastung des Grundvermögens und 
die hohen, vom Bankkapital geforderten Schuldzinsen. Auch glaubte 
man sich jetzt gegenüber dem Proletariat und dem Kleinbürgertum 
stark genug, um auf das demagogische Element, das die Intensivie- 
rungsparole immerhin enthielt („Ernährung aus eigener Scholle“) 
verzichten zu können. Nicht mehr Intensivierung, sondern 
„Wiederherstellung der‘ Rentabilität‘ wurde die 
Sammelparole des Agrarkapitals, Sie rückten damit, echt kapita- 
listisch, das Problem der Preisbildung in den Vordergrund. 
Politisch drückte sich das darin aus, daß man die „Angleichung 
der Agrarzölle an die Industriezölle‘‘, weitgehende Drosselung der 
Lebensmitteleinfuhr, stärkere steuerliche Entlastung und ausgiebige, 
Zinsverbilligungsaktionen vom Staate forderte, Eine wesentliche 
Forderung der Großagrarier war auch der „Abbau der sozialen 
Lasten‘. (Am radikalsten auf der Vertretertagung des Landbundes 
in Berlin, Januar 1928!) 
Bei der Forderung auf Erhöhung der Agrarzölle stieß jedoch das 
Agrarkapital gegen zwei Schranken: a) gegen das Interesse der Ge- 
samtbourgeoisie an günstigen Handelsverträgen, die 
soweit Amerika, Frankreich, Italien, Spanien, Holland, Dänemark 
und Polen in Betracht kamen, nur durch Entgegenkommen gegen- 
über den spezifischen agrarischen Exportinteressen dieser Länder 
erreicht werden konnten; b) gegen das Interesse der industriellen 
Unternehmer an niederen Löhnen und ungestörter Ausnutzung der 
sich durch die industrielle Rationalisierung allmählich ergebenden 
besseren Konjunktur. 
Aehnliche Schranken bestanden auch für die Forderungen der 
Agrarkapitalisten in bezug auf staatliche Zuschüsse, Zinsverbilli- 
sungen, Steuererleichterungen, Abbau der sozialen Lasten sowie Be- 
seitigung des Koalitions- und Streikrechtes und der Freizügigkeit 
der Landarbeiter. Auch in diesen Punkten konnte das Industrie- 
kapital den Junkern nur bis zu einem bestimmten Punkte entgegen- 
kommen, soweit es eben die eigenen Interessen und der Widerstand 
in der Arbeiterschaft zugaben. Die Herabsetzung des Zinsfußes 
und die Umwandlung der kurzfristigen Personalkredite in lang- 
fristige Hypothekkredite, die von den Großagrariern stürmisch ge- 
fordert wurden, konnte ebenfalls nur allmählich durchgeführt 
werden. Das deutsche Bankkapital war selber von den Bedingungen 
der ausländischen Kreditgeber abhängig und mußte den Erfolg der 
Rationalisierung in der Industrie erst abwarten. Das Finanzkapital 
kombinierte deshalb die agrarische Forderung der Rentabili- 
tät durch Preiserhöhung mit der industriellen Forderung 
der Erweiterung des Binnenmarktes durch Indu- 
strialisierung, Die große Rede Solmssens, des Geschäfts- 
führers der Discontgesellschaft, auf der 7. Bankiertagung in Köln 
(September 1928), in der er das agrarwirtschaftliche Programm des
	        
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