Full text: Die Industrialisierung der deutschen Landwirtschaft, eine neue Phase kapitalistischer Monopolherrschaft

2. In bezug auf die Bauernschaft 
Für die werktätige Bauernschaft, deren Massenaufmarsch wesent- 
lich zum Kompromiß ‚zwischen Finanz- und Agrarkapital beitrug, 
bedeutet die kapitalistische Rationalisierung, wie sie jetzt durch das 
„Notprogramm“ des Bürgerblocks beschleunigt ins Werk gesetzt 
wird, nicht nur keine Verbesserung ihrer materiellen Lage, sondern 
im Gegenteil verschärfter Druck des großen Bank- und Agrarkapitals, 
Gerade die staatskapitalistischen Formen dieser Rationalisierung 
verschärfen die Diktatur des Großkapitals, 
Die Zentralisation der Genossenschaften verwandelt den ‚„freien” 
Bauern immer mehr in einen „Angestellten der Genossenschaften‘, 
für deren geschäftliche Transaktionen er zwar mit seinem Gelde 
haften muß, in deren Leitung er aber nicht im mindesten dreinreden 
darf oder auch nur kann, Das Schreckgespenst, mit dem die Groß- 
agrarier vor wenigen Jahren die Bauern vor den Bolschewiki grau- 
lich machten, wird bittere kapitalistische Wirklichkeit. Auch die 
Standardisierung, heute neben den Schutzzöllen den Bauern als die 
Rettung gepriesen, steigert im kapitalistischen Wirtschaftssystem nur 
die Ueberlegenheit des kapitalistischen Betriebes (Gutshof und Groß- 
bauernhof} gegenüber dem „Familienbetrieb‘, der nicht imstande 
ist, große Massen einheitlicher Qualitätsware auf den Markt zu 
werten. 
[nnerhailb der Bauernwirtschaft wächst die Polarisierung nach 
oben und nach unten. Während die stärkeren Mittelbetriebe den 
Anschluß an die kapitalistische Produktion und ihre Organisation 
gewinnen, an der Mechanisierung, Standardisierung, Spezialisierung 
und kaufmännischen Rationalisierung teilnehmen, sinkt die Masse 
der schwächeren Mittelbetriebe und die Kleinbetriebe in eine immer 
hoffnungslosere Situation. Dabei wächst ununterbrochen die Zahl 
der Klein- und Kleinstbetriebe mit halbproletarischem Charakter, 
wenigstens in allen mit Industrie durchsetzten Gebieten, Die Zahl 
der im Industriebetrieb lohnarbeitenden Kleinbauern nimmt zu, der 
Druck dieser proletarisierten und noch klassenunbewußten, mit der 
kleinbürgerlichen Besitzerideologie behafteten ländlichen Arbeits- 
konkurrenten auf das freigewerkschaftlich organisierte Industrie- 
proletariat wächst, Die Unternehmer nützen dies aus, um die 
lohnarbeitenden Bauern in den christlichen und gelben Gewerk- 
schaften, im Stahlhelm und in Kriegervereinen, in Werksportvereinen 
etc, gegen das klassenbewußte Proletariat zu kehren. 
Andererseits wirken alle Schwankungen der industriellen Kon- 
junktur in verstärktem Maße auf die Kleinbauernschaft zurück, ihr 
Interesse an Lohn- und Arbeitszeitiragen, an Erwerbslosenfürsorge, 
Sozialversicherung, Arbeitsrecht etc, wächst, Die sozialen Schranken 
zwischen „Besitzer‘ und Proletarier werden verwischt. Die prole- 
tarische Ideologie und proletarischen Organisationen dringen auf 
diesem Wege weit hinaus aufs. flache Land. Für die revolutionäre 
Arbeiterpartei ist die Beseitigung der traditionellen Gegensätze 
zwischen lohnarbeitendem Bauer und reinem Industrieproletarier.
	        
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