Da die Angleichung der Agrarpreise an die Industriepreise zugegebe-
nermaßen — Minister Schiele verlangte im Reichstag Valorisation der
Preise für Agrarprodukte auf 150 % der Vorkriegspreise! — das Ziel
der Rationalisierung und der zukünftigen Handelspolitik sein soll, ist
eine Senkung der Preise in absehbarer Zukunft nicht zu „befürchten“,
Die Zinsverbilligung durch die Umschuldung wird die Teuerungs-
tendenz nicht mildern, sondern stärken, und der Uebergang zur
agrarischen Exportindustrie mit Hilfe der „Organisation des Ab-
satzes’” durch Bildung von monopolistischen Gesellschaften wird
eine auch nur saisonweise Ueberschwemmung lokaler Märkte aus-
Schalten. Schon heute müssen also die Lohnpolitik der Gewerk-
Schalten, die sozial- und wirtschaftspolitischen Forderungen des
Proletariats von dieser Perspektive geleitet werden, Darüber
hinaus muß die Losung lauten: Keine Subventionen für
das Agrarkapital! Billiges Brotfürdie Arbeiter!
Fort mit den Agrar- und Industriezöllen! Nieder mit der Ausnahme-
Sesetzgebung gegen die Landarbeiter! Staatshilfe für die bäuerlichen
Klein- und Mittelbetriebe! Direkter Warenverkehr zwischen land-
wirtschaftlichen Genossenschaften einerseits, Konsumvereinen und
Gemeinden andererseits!
Aber das ist nur eine Seite der Auswirkungen, Das Bündnis des
Industrie- und Agrarkapitals, die wachsende Einordnung des Agrar-
kapitals in das Gesamtsystem des monopolistischen Kapitalismus
bedeutet innerpolitisch einen verschärften reaktionären Kurs und
außenpolitisch-. eine bedeutende Stärkung. der imperialistischen
Tendenzen. Dieser Prozeß war bisher. schon ein wesentlicher
Faktor bei der Bildung des Bürgerblocks, Der alte Streit, ob
Monarchie oder Republik, der jahrelang die ideologische. Ver-
kleidung der Gegensätze zwischen Agrar- und Industriekapital war,
verliert jede praktische Bedeutung gegenüber so aktuellen Fragen
wie „Revision des Dawesplanes', Rheinlandräumung, Neuregelung
der Ostgrenze, Erweiterung der Kriegsrüstungen, Kolonialmandaten.,
Die mit der Junkerschaft versippte hohe monarchistische Bürokratie
verschmilzt mit der neuen republikanischen Bürokratie, worüber
die Absetzung einiger allzu borniert-reaktionären Landräte durch
die Preußenregierung nicht hinwegtäuschen darf,
Ueberhaupt bedeutet die Ersetzung der Bürgerblockregierung im
Reiche durch eine Koalition der „Linksparteien‘ keine prinzipielle
Aenderung des Bürgerblockkurses und vor allem nicht der Macht-
verhältnisse zwischen Bourgeoisie und Proletariat, ;
Wie der Austritt der Deutschnationalen aus der Regierung im
Herbst 1925 nicht der Anfang einer neuen Aera, sondern nur die
verdeckte Vorbereitung des neuen Bürgerblocks für den Januar 1927
bedeutete, so ist auch Ersetzung der Bürgerblockregierung durch
das „Kabinett der Köpfe” nur die Vorbereitung für eine neue er-
Wweiterte und gekräftigte Stufe der Bürgerblockpolitik. In dieser
neuen Phase der Bürgerblockpolitik wird die „rationalisierte Land-
wirtschaft‘, d. bh. das auf einer höheren technischen Basis reorgani-
Sierte Agsrarkapital, eine noch bedeutsamere Rolle als bisher spielen.