Full text: Die juristische Literatur der Sowjet-Union

Das Agrarrecht der Sowjet-Union. 
Von Dozent M. Gerschonow, Kiew. 
Die positive Gesetzgebung der modernen Staaten kennt keine be- 
sonderen Agrarkodexe; eine Ausnahme bildet die Gesetzgebung der 
Sowjetunion. In den bürgerlichen Staaten liegt prinzipiell die Notwendigkeit 
nicht vor, aus den allgemein-bürgerlichen Kodexen besondere Agrarkodexe 
auszuscheiden sowie ein besonderes Agrarrecht auszuarbeiten, da sich 
das bürgerliche Agrarrecht genau ebenso wie das Zivilrecht auf das 
Prinzip. des Privateigentums stützt. 
Eine unüberbrückbare Kluft liegt zwischen dem. vorrevolutionären und 
dem jetzt geltenden Agrarrecht der Sowjetunion. In der alten russischen, 
vorrevolutionären Gesetzgebung unterschied sich das Agrarrecht für Edel- 
leute, Beamte, Kaufleute. und Kleinbürger einerseits von dem für den 
Bauernstand gültigen Agrarrecht. Das Agrarrecht aller Stände, außer 
dem der Bauern, war in den allgemeinen Zivilgesetzen — im ersten 
Teil des X. Bandes \der Russ. Gesetzsammlung — festgelegt, das Agrar- 
recht der Bauern hingegen im Allgemeinen und Lokalen Statut über die 
Bauern vom 19. Februar 1861. Während alle Stände (außer den Bauern) 
unbeschränktes Recht auf privaten Landbesitz hatten, wurde hinsichtlich 
der Bauern Gemeindebesitz an Land und Landbesitz nach Höfen zugelassen. 
Sowohl in ihren persönlichen Rechten, wie auch im Eigentumsrecht 
unterschieden sich die Bauern streng von allen übrigen Bürgern des 
Russischen Reiches und trugen nach wie vor die Ketten der mittel- 
alterlichen Leibeigenschaft, die durch den Erlaß vom 19. Februar 1861 
(Formelle Aufhebung der Leibeigenschaft) nur wenig gemildert wurden. 
Die auf die erste Revolution im Jahre 1905 folgende Epoche (Ukas 
vom 6, Oktober 1905 und 9. November 1906 sowie das Gesetz vonmr 14. Juni 
1910) brachte einige Aenderungen in der Rechtslage der Bauern, indem 
sie dieselben ihrer rechtlichen Lage nach den anderen Ständen annäherte, 
im Grunde jedoch blieb die rechtlose Lage der Bauern unverändert bis 
zur Revolution des Jahres 1917 bestehen. Aus diesem Grunde hatte sich 
im Zzaristischen Rußland bereits eine Gruppe von theoretischen und 
praktischen Juristen gebildet, die es sich zur Aufgabe machten, das 
bäuerliche Agrarrecht, besonders die bäuerlichen Gebräuche 
zu untersuchen (Prof. Pachman,. Leontjew, Jefimenko, Kasso u. A.). 
Seine vollständige Entwicklung als. selbständige Disziplin erllangte 
das Agrarrecht jedoch erst nach der Oktoberrevolution und Konsti-
	        
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