Full text: Grundlagen der Wirtschafts- und Handelspolitik

Die Einführung von genügend hohen 
Zöllen: auf eine große Reihe von Agrarpro- 
Iukten wird von der gesamten Industrie obne 
weiteres unterstützt, z.B. für Frühgemüse, 
Obst, Südfrüchte usw. Darüber hinaus aber 
wünscht die Landwirtschaft unsere Unter- 
stützung für die Einführung von Getreide: 
zöllen. Diesen steht mit der gesamten unab- 
hängigen deutschen "Wissenschaft, die ein- 
stimmig Getreidezölle zurzeit nicht für erfor- 
derlich. und auch nicht im Interesse” der 
Landwirtschaft liegend erachtet, die verar- 
beitende Industrie ablehnend gegenüber, da 
die Getreidezölle..die. Produktion, ‚auf ‚deren 
Verbilligung wir.angewiesen sind, zurzeit ganz 
arheblich verteuern würden. DT 
Wenn man also überhaupt mit der Land: 
wirtschaft zu einem Übereinkommen gelan- 
zjen will, wonach die Industrie auch die 
Wünsche der Landwirtschaft in der Frage der 
Getreidezölle bis zu einem gewissen Grade 
unterstützt, so müßte mindestens gefordert 
werden, daß Sicherungen dafür gegeben wer- 
den, daß uns die Landwirtschaft nicht bei 
jeder Gelegenheit im Stich läßt. Wenn das 
bisherige Verhalten der Landwirtschaft so 
fortgesetzt wird, so ist die Industrie bei die» 
sem Zusammenarbeiten fortwährend einseitig 
im Nachteil. Der Reichsverband der Deut» 
schen Industrie muß sich infolgedessen unbes 
dingt Klarheit darüber verschaffen, wie die 
Landwirtschaft sich in Zukunft zu verhalten 
zedenkt. 
Herr Geheimrat Dr. Hugenberg: 
Ich glaube, daß ein solches Abkommen 
außerordentlich wünschenswert wäre. Es 
scheint mir aber aber doch notwendig zu 
sein, damit die heute hier Anwesenden nicht 
ain unvollständiges Bild der Dinge bekom: 
men, auf Eines hinzuweisen, was manchem 
nicht ohne weiteres bewußt ist. 
Tatsächlich ist es doch heute so, daß die 
industriellen Zölle zu einem erheblichen 
Teil bestehen und in Kraft sind, während die 
landwirtschaftlichen Zölle noch aufgehoben 
3ind. Es ist also der Zustand der Dinge, der 
vor dem Kriege bestand, zu Ungunsten der 
Landwirtschaft nicht wieder hergestellt; und 
ich finde es vom Standpunkte der Gerech- 
tigkeit aus durchaus verständlich, daß die 
Landwirtschaft gegen die Gefahr geschützt 
sein will, daß bei einer unter . Umständen 
zu erwartenden für sie ungünstigen politi- 
schen Entwicklung ein Dauerzustand herge- 
stellt wird, der dahin geht, daß erstens die 
alten Industriezölle weiter bestehen, die 
andwirtschaftlichen aber nicht, zweitens 
3ine neue Erhöhung der Industriezölle vor- 
senommen wird, während landwirtschaft- 
iche Zölle überhaupt nicht vorhanden sind. 
Ich glaube, daß dies Interesse der Land- 
virtschaft um so mehr als berechtigt aner- 
zannt werden muß, als tatsächlich die Land- 
wirtschaft sich heute auf der ganzen Linie in 
:ziner Lage befindet, die in ihrer Auswirkung 
sur vollständigen Auspowerung unseres 
Nirtschaftslebens führen muß, Wenn so 
ınendlich viele selbständige Existenzen, wie 
je in der Landwirtschaft vorhanden sind, 
"atsächlich nicht mehr verdienen, sondern 
zu einem erheblichen Teil bar zusetzen und 
zeine Rente aus ihrem Besitz herauswirt- 
schaften, so muß das dahin führen, daß eine 
3Zlutleere in unserer ganzen Wirtschaft eins 
;ritt, die auch auf die Industrie, auf jeden 
ınderen Teil unseres Volkslebens sehr be: 
Jenkliche Rückwirkungen ausüben muß. 
Ich bin infolgedessen der Meinung: der 
Herr Vorredner hat ganz recht, es muß zu 
nem klaren Abkommen mit der Landwirt: 
ichaft kommen. Aber in dem klaren Ab- 
zommen muß für die Landwirtschaft sicher: 
sestellt werden, daß der Zustand der Pari- 
ät, wie er vor dem Kriege bestanden hat, 
ür sie wieder hergestellt wird und nicht 
ne politische Entwicklung der Dinge offen 
jehalten wird, bei der die landwirtschaft- 
ichen Zölle unter den Tisch fallen und 
ediglich eine Wiedereinführung und Erhö- 
ıung der industriellen Zölle stattfindet. Ich 
zlaube, der Gerechtigkeit dieses Standpunk- 
tes kann und darf sich die Industrie nicht 
antziehen. 
Herr Karl Lange: 
Ich muß Herrn Geheimrat Hugenberg 
Jarauf folgendes erwidern: Die Landwirt: 
schaft exemplifiziert speziell auf die landwirt: 
schaftlichen Maschinenzölle. Meines.Erach- 
'‚ens ist das Schlagwort, daß die _Landwirt- 
ichalt deswegen Zölle.haben müßte, weil die 
ndustrie Zölle hat, nicht zugkräftig, denn die 
andwirtschaftlichen Zölle drücken sich auto: 
Hatisch im Preise aus. Aber niemand wird 
»Ehaupten wollen, daß die Preise der Land-; 
naschinen oder anderer industrieller Produk- 
'e, die in Deutschland in Überproduktion her» 
jestellt werden, dadurch verteuert werden, 
weil die Zölle vorhanden sind, denn.in diesen 
indusfrie-Produkten besteht in Deutschland 
sine derartig große Konkurrenz, daß die ge: 
jenseitige Unterbietung schon eine Aus:
	        
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