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DER »RUF« ZUR KIRCHE
nur das normale Papier- und Schriftformat hat, dürfte auch
durch Ausrufer der Bevölkerung kund gemacht worden sein.
Es wurde also bereits damals der noch heute in Kriminal-
fällen übliche Weg der Gewährung einer „Prämie zur Er-
zielung einer größeren Publizität verwendet...
Bei den Römern waren die öffentlichen Ausrufer (Prae-
cones) teils vom Staate angestellt und besoldet, teils betrieben
sie das Ausrufsgewerbe privatim. Die ersteren hatten die Volks-
versammlungen zu berufen, Gesetzvorschläge anzukündigen,
die abgegebenen Stimmen auszurufen, Ruhe zu gebieten,
öffentliche Festlichkeiten anzukündigen u. dgl. mehr; letztere
hingegen wurden namentlich bei Auktionen verwendet und
sie hatten die Zeit, den Ort und die Bestimmungen von öffent-
lichen Verkäufen auszurufen. ; |
Wie sich bei den Griechen nur arme und niedrige Leute
zu diesem Posten hergaben, so stand dies Gewerbe auch bei
den Römern in geringer Achtung, zumal die Bildung der
Ausrufer zumeist eine höchst mangelhafte war. Martial rät
einem Vater, aus seinem Sohne, welcher einen besonders
harten Kopf hatte, einen Praeconen zu machen; für Dichter,
welche nichts verdienten, war es der äußerste Ausweg, daß sie
Ausrufer wurden.
In alten Zeiten bediente sich auch die Kirche des Aus-
rufers, um die Gläubigen zur Andacht zu rufen. Erst als
hierfür wirksamere Instrumente, wie tönende Metallplatten
und später die noch weiter klingenden Glocken erfunden
wurden, nahm die Geistlichkeit von dem Ausschreier Ab-
stand, der in katholischen Ländern nur in der Zeit seine
Tätigkeit wieder aufnimmt, wenn die Glocken ihre jährliche
Reise nach Rom antreten. Mit Schnarre oder Ratsche versehen,
mahnt er dann die Christen zum Kirchenbesuche. In orien-
talischen Städten ertönt hingegen noch heute vom hohen
Minarett herab täglich fünfmal der Ruf des Muezzin, um die
Muselmanen an das Gebet zu erinnern.
Die Ausrufer des Mittelalters pflegten die Aufmerksamkeit
des Volkes vermittelst Trommeln, Trompetenstößen oder
Schellengeläute zu erregen (s. Abb. 3 u. 4). Sie erscheinen bereits
als wohlorganisierte Zunft im 12. Jahrhundert in Frankreich
und werden von Schriftstellern jener Zeit vielfach erwähnt.