Full text: Ansprachen und Vorträge

ansiedeln kann, wenn zwischen Bremen und Hamburg sich so 
schwer der geometrische Ort gemeinsamer Wirkung finden läßt. 
Von der deutschen Handelsflotte gehören 55,58 nach Ham— 
burg und 26,5 8 nach Bremen. Aber ich weiß, daß ich im Namen 
vieler Hamburger spreche, wenn ich neidlos erkläre, daß dieser 
Quantität gegenüber die Bremer Qualität in vielen Dingen vor— 
zuziehen ist. Ich muß gestehen, daß wir manchmal voll Neid 
blicken auf das, was hier geschieht, und zwar gerade in Fragen, 
die mit dem Werkbund in Zusammenhang stehen, z. B. mit den 
künstlerischen Anforderungen an den Schiffbau. und daß wir 
manches davon lernen können. 
Vom deutschen Schiffbau heute zu sprechen, ist ein eigenartiges 
Ding. Zwar haben wir nach dem Vertrage von Versailles be— 
gonnen, eine neue deutsche Handelsflotte zu bauen, aber im all— 
gemeinen besteht über diesen Neubau der Handelsflotte ein ganz 
grundlegender Irrtum. Man spricht sehr gern von dem neuen 
Bauprogramm, das in den letzten Jahren verwirklicht worden 
sei. Aber zum größten Teil ist es gar kein neues Bauprogramm 
gewesen, sondern es ist zum überwiegenden Teil die Abwicklung 
der Baupläne gewesen, die im Frieden unter ganz andern Vor— 
aussetzungen beschlossen worden waren. Wenn ich z. B. an die 
Hamburg —Amerika Linie denke, so ist zu konstatieren, daß sie in 
den Jahren vor dem Kriege ihre Passagierdampfer in außer— 
ordentlich hohem Maße ausgebaut hat durch Einstellung der 
Imperator-Klasse, daß sie den Passagierverkehr zu einer Höhe 
entwickelt, der heute nicht wieder erreicht werden kann, und da 
war es naturnotwendig, daß Ballin 1913 und Anfang 1914 sein 
Hauptaugenmerk wieder auf die großen Frachtdampfer richtete. 
Und das sogenannte Bauprogramm der Hamburg—Amerika 
Linie 1918 bis 1922 ist denn auch zum größten Teil nichts weiter 
als eine Abwicklung des Ballinschen Testaments hinsichtlich des 
Frachtdampferbaues gewesen. 
Und ebenso wichtig ist zu wissen, daß die neue deutsche Handels— 
flotte nicht frei und nicht ohne Hemmungen gebaut werden 
konnte, sondern daß die Gelder des deutschen Volkes, die da als 
Entschädigung gezahlt wurden und mit dazu beigetragen haben, 
35
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.