Full text: Verständigung zwischen Stadt und Land durch Revision unserer Ernährungspolitik

Wenn daher zurzeit ein lauter Ruf nach Stützung der Preise 
für Schlachtrinder ertönt, so kann man sich des Eindruckes nicht 
erwehren, daß hier das Pferd von hinten aufgezäumt werden soll, 
zumal im Zusammenhang hiermit ein verschärfter Kampf gegen die 
Gefrierfleischeinfuhr angekündigt wird. 
Wenn man aber schon die ausländische Konkurrenz auf dem 
Schlachtviehmarkt verkleinern will, so muß auch hier an der Stelle 
angefangen werden, wo der Druck auf das Inlandsangebot am 
stärksten ist. Die Einfuhr von lebendem Vieh und frischem Fleisch 
aus unseren europäischen Nachbarstaaten besteht zu zwei Dritteln 
aus Kühen, die als Abfallprodukt der hochentwickelten Milchwirt- 
schaft aus diesen Ländern auf den deutschen Markt gelangen und 
nur zu ein Drittel aus Ochsen und Bullen. Schlachtkühe haben wir 
aber besonders bei fortschreitender Umstellung auf Milchproduktion 
ohnehin zuviel, weil sich Kuhfleisch vornehmlich zur Wurstfabri- 
kation und weniger zum Verkauf über den Ladentisch eignet. 
Gefrierfleisch ist Ochsenfleisch, seine Verarbeitung zu Wurst ist 
verboten und kann deswegen die Preise für Wurstkühe nicht be- 
einflussen. Daß aber Gefrier fleisch niemals den Preis für erst- 
klassiges frisches Fleisch beeinflussen kann, bedarf keiner Er- 
jäuterung, denn wer einen Luxusbraten kaufen will und kann, der 
kauft kein Gefrierfleisch. Gerade auf diesen Markt aber mit seinem 
kaufkräftigen Abnehmerkreis drückt das aus dem europäischen Aus- 
land eingeführte erstklassige Ochsenfrischfleisch. 
Völlig übersehen wird jedoch bei Beurteilung der Konkurrenz 
des Gefrierfleisches immer wieder, daß durch dessen niedrigen Preis 
eine breite Käuferschicht in die Fleischnachfrage eingeschaltet wird, 
deren Kaufkraft für das teurere Frischfleisch nicht ausreicht. Diese 
Käuferschicht kann die Landwirtschaft nicht gewinnen, während ihr 
durch die Frischfleischeinfuhr ein Teil gerade der kaufkräftigsten 
Abnehmerkreise entgeht. 
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