III. Rationalisierung und Kunst
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digen Menschen innerhalb der versachlichten Natur erst wieder möglich
gemacht. Sie hat den Menschen aus dem Chaos, in das ihn dle un⸗
bewaltigte Organisation, Technik, Kunst und Wissenschaft geworfen
hatte, herausgeführt in eine Welt, die zwar noch nicht gebändigte
Kraft ist, aber dennoch den Willen hierzu bereits vielfältig beweist.
Unendlich viel organisches Formgefühl, sicherer Instinkt für die
Verhaltnisse und das Zusammengehöͤrige sind hierbei verloren⸗
gegangen. Was frühere Zeiten als höchste Vollendung, maßvolle Ge⸗
stalt, gerundete Endgültigkeit empfanden und ehrten, als schön und
weise, bedeutend und wahr, erscheint den Menschen der rationalistischen
Lebenshaltung als klein und eng, als spielerisch und sentimental.
Die Welt der unmittelbaren Menschlichkeit ist verdraäͤngt. Das
Unpersonliche hat gesiegt. Die Menschen werden mehr und mehr
abgeneigt, die Dinge in ihrer Nacktheit so zu sehen, zu formen und zu
genießen, wie sie nun einmal sind. Sie suchen nach Zwischenschaltungen,
nach Symbolen und Zeichen, nach Stellvertretungen und Typen.
alus einem ersten und ursprünglichen Verhaltnis zu den Dingen sind
sie zu ihrer Wertung als Ausdrucksmittel der Idee, als abgeleiteter
Abstraktionen gekommen.
Allein dies ist der Weg aller Kultur. „Kultur wird, wenn der Mensch
aus dem bloß Vorhandenen zum Bedeutungsvollen, Wesenhaften
vordringtx).“ Der Mensch der rationalen Lebensführung hat mit
dem kulturverbundenen Menschen aller Zeiten das eine gemein, daß
er sich von der Vereinzelung, von der Einmaligkeit loslöst zu einer
Beherrschung der Wirklichkeit durch ein Gebaren, das typisch, das
für alle Faͤlle „richtig“ ist.
Damit aber sind wir wiederum beim ,Stil angelangt, bei den „mei⸗
nenden Zeichen, die nicht mehr auf besondere Dinge gehen, sondern auf
alle Dinge dieser Art“xx). Angelangt also auch bei der „Zweckkunst! un⸗
Romano Guardini, Briefe vom Comosee, Mathias Grünewald-Verlag,
Mainz 1927, S. 26.
xx) Guardini, a. a. O. S. 29.