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DAS HOTEL- UND GASTGEWERBE
keitsveranstaltung hingewiesen worden war, Also eine durchaus
vornehme, aber sehr wirkungsvolle lokale Werbung für das
veranstaltende Haus.
Wenn ein großer Hotelbetrieb, eine beliebte Gaststätte die
eigenen Räume, seine festbesoldeten sowie befreundeten Künstler
zur Verfügung stellt, um dem edelsten Zuge des menschlichen
Herzens, dem Wohltun, zu folgen, so ist das meines Erachtens
noch immer um einige Nuancen ethischer, als wenn die Frau
des im Kriege oder durch die furchtbare Inflation millionen-
reich gewordenen Kommerzienrats Meyer das gleiche tut. Denn
von jener Gaststätte nimmt von vornherein kein Mensch an,
daß nicht auch ein ganz klein wenig Egoismus mit der edlen
Regung verbunden ist. Sie selbst will etwas derartiges gar nicht
vortäuschen. Deshalb halte ich es für durchaus angebracht, daß
auch der Wohltätigkeit als einer jener Möglichkeiten gedacht
wird, um einen möglichst großen Kreis von Menschen an das
Vorhandensein dieses Hotels oder jener Gaststätte öfter zu
erinnern. Wenn plumpe Menschen das auch plump Reklame
nennen sollten — jener Europäische Hof hat doch ein erkleck-
liches Sümmchen zum Bau einer Kirche beigesteuert, er hat
alten Kleinrentnern, die in den vom Weltkrieg heimgesuchten
Ländern Europas wahrlich die Allerbeklagenswertesten sind,
ein wenig Freude bereitet. Oder glaubt man, die vielen Gäste,
die dem Rufe jenes Europäischen Hofes zum Wohltun Folge
leisteten, würden aus freien Stücken einige Mark für jene
Zwecke geopfert haben, wenn man sie in ihrem Heim darum
gebeten hätte? Ich glaube es nicht.
Deshalb sollten recht viele Hotels und Gaststätten den vom
Europäischen Hofe vorgezeichneten Weg betreten. Winke, wie
sie Wohltätigkeit üben und sich selbst dabei ein ganz klein
wenig nützen können, brauche ich nicht zu geben. Sie liegen
in der schweren Luft, die über der notleidenden Bevölkerung
vieler europäischer Länder lastet. Diese bittere Not lindern zu
helfen, ist eine schöne Aufgabe. Bei Erfüllung dieser Aufgabe
mögen die Gaststättenbetriebe sich nicht durch den Gedanken
beirren lassen, daß bei ihrem Wohltun etwas Egoismus mit-
klingt. Mir ist der selbstverständliche, naive Egoismus jenes
Europäischen Hofes tausendmal lieber als der verkapselte
Egoismus der millionenreichen Frau Kommerzienrat Meyer.