Die Wirkungen auf die Preise
22. Die Wirkungen auf die Preise
In der Theorie gilt für das moderne Wirtschaftsleben noch der
Grundsatz der freien Konkurrenz. ‚Der befriedigendste wirtschaftliche
Zustand soll erreicht werden durch möglichst uneingeschränkte, selbst
rücksichtslose Betätigung der individuellen Kräfte, durch frischen,
fröhlichen Kampf. Dieser Kampf führt zum Siege der tatkräftigsten
und tüchtigsten Kämpfer und mithin zum erwünschten Fortschritte.
Alles und namentlich alle Vereinbarungen, welche die Beschränkung
dieser freien Betätigung der individuellen Kraft bezwecken oder zur
Folge haben, erscheinen von diesem Standpunkt aus zweckwidrig‘
(Emil Steinbach, Rechtsgeschäfte der wirtschaftlichen Organisation,
S. 145. Wien. 1897). Von der selbstregulierenden Kraft der freien Kon-
kurrenz erwartet man sowohl eine Güterversorgung zu möglichst niedrigen
Preisen als auch die automatische Drosselung jeder Überproduktion.
Das ergab sich aus dem Ideengang der klassischen Nationalökonomie.
Wenn in einer Ware zu viel erzeugt wird, so werden die Preise sinken.
Der einzelne Produzent wird sich aber, sobald er nichts mehr verdient
oder gar mit Verlust arbeitet, zurückziehen und einem anderen Erwerbe
zuwenden. Dadurch verringert sich aber das Angebot und die Preise
werden wieder steigen. Steigen sie aber höher, als dies den Produktions-
kosten mit Zuschlag eines bürgerlichen Gewinns entspricht, so wird
die reichere Verdienstmöglichkeit Unternehmer anlocken, Das Angebot
wird sich vermehren und die Preise wieder herabdrücken. In Wirklichkeit
besteht diese Selbstregulierung nicht, weil die beiden Produktions-
faktoren, Arbeit und Kapital, durch ihre Einstellung in bestimmte
Produktionszweige in immer höherem Grade gebunden werden. Durch
einen Wechsel der Tätigkeit geht für die menschliche Arbeitskraft ein
großer Teil der erworbenen Arbeitsgeschicklichkeit für den einzelnen
und für die Volkswirtschaft verloren. Immer gewaltiger wird aber die
Gefahr des Kapitalverlustes. Wenn der Produzent in seiner Unter-
nehmung große Kapitalien angelegt hat, so zieht er sich im Falle der
Überproduktion nicht zurück, weil die Stillegung oder Abänderung des
Betriebes gleichbedeutend ist mit einer Kapitalsentwertung. Fabriks-
gebäude lassen sich nur in großen Städten gut verwerten, gebrauchte
Maschinen aber haben gewöhnlich nur den Wert von altem Eisen. Selbst
eine Einschränkung verursacht eine Verteuerung, weil sich die General-
kosten (Verwaltung, Kapitalszinsen, Kohle usw.) gleichbleiben und nun-
mehr auf eine geringere Zahl von Produkteinheiten verteilen, Die größte
Sorge eines Betriebsleiters ist die nach voller Beschäftigung des Betriebes,
selbst bei schlechten und verlustbringenden Preisen. Er wird sogar die
Produktion zu steigern suchen, weil er hoffen kann, durch die Verringerung
der Generalkosten auf die Produkteinheit länger konkurrenzfähig zu