Full text: Sittlichkeit in Ziffern?

Erster Teil. 
Theoretische Vorfragen. 
Die Moralstatistik vermöchte aus verschiedenen. Ursachen das 
interesse des Staates am Vorhandensein einer geschlechts- 
sittlichen Moral vorauszusetzen. Diese Position ist, wenigstens 
soweit die Geschlechtsmoral in Frage kommt, von verschieden- 
sten wissenschaftlichen und politischen Richtungen aus in 
Zweifel gezogen worden!. Wir werden auf diese bedeutsame 
Vorfrage an dieser Stelle nicht eingehen können. 
Außerdem möge noch zweier Theorien kurz Erwähnung 
zetan werden, welche, falls ihr Zurechtbestehen nachgewiesen 
werden könnte, die Moralstatistik über ihre Funktion als einer 
Feststellung von Tatsachenreihen hinaus von vornherein jeder 
moral-kausalen Ausdrucksfähigkeit berauben würden. Das sind 
die Lombrosianische Lehre vom geborenen Verbrecher sowie 
der moralstatistische Determinismus des Queteletschen Homme 
Moyen. 
ad. ı. Die Lombrosianische Lehre von der physiologischen 
Vorbestimmung bestimmter biologisch und genealogisch nach- 
weisbarer Kategorien abstrahiert a priori von jeder Möglich- 
keit moralischer Phänomenologie. Bei ihren Prämissen er- 
scheint der Verbrechertypus oder der Prostituiertentypus, m 
1 Pareto bestreitet überhaupt das Bestehen eines Einflusses der Sexual- 
sittlichkeit auf das Staatsleben. Er stellt unverblumt die Frage auf, ob es 
atwa für Frankreich besser gewesen wäre, wenn der sittlich alles andere 
als ein Tugendbold gewesene Marschall Moritz von Sachsen, anstatt in 
der Schlacht von Fontenoy die Franzosen vor der feindlichen Invasion 
gerettet zu haben, ein außerordentlich sittenstrenger Herr gewesen wäre, 
sich dafür aber vom Feinde habe schlagen lassen (Vilfredo Pareto, 
Le Mythe vertuiste et la litt&rature immorale, Paris 1911, Rivitre, p. 176). 
Der Zusammenhang zwischen Sittenreinheit und Kunst hat in der Ge- 
schichte ebenfalls nicht nachgewiesen werden können.
	        
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