Weltwirtschaftliche Grundlagen einer deutschen Reparationspolitik. 99
den !).“ Wie schon früher erwähnt hat auch Cassel (a. a. O.) nachdrücklich die
Transferierung mit geborgten Mitteln als gegen den Vertrag verstoßend
bezeichnet: „Wann soll also der Reparationsagent mit diesem prinzipiell unberech-
tigten Verfahren aufhören? Dies ist keine ferne Zukunfisfrage, sondern in der Tat
eine sehr aktuelle Frage, die immer ‚dringender eine klare Antwort fordert, Die
Alliierten haben kein Recht, weiter darauf‘ zu rechnen.“ Warum übersieht Herr
George P. Auld diesen ihm zweifellos bekannten rechtlichen Zusammenhang?
Drittens muß man sagen, daß Auld vor lauter Bäumen den Wald nicht zu
sehen vorgibt! Er will einerseits mit den Vätern des Plans Wiederherstellungen: von
Deutschland haben und erkennt anderseits genau, daß die Reparationszahlungen
keine wirklichen Zahlungen sind, sondern eine Ausdehnung des deutschen Kapital-
parks; der deutschen Betriebsapparatur bedeuten, was er durch Beispiele der Vor-
kriegs-Kapitalwanderungen illustriert, Er müßte also erkennen, daß das Gegenteil]
von dem eintritt, was er ursprünglich will, und daß wie er selbst sagt, auch die
Zinsen nur mit neuen Schulden bezahlt werden, Warum zieht er aus seinen Erkennt-
nissen nicht die logisch einzig mögliche Schlußfolgerung, daß der Dawesplan, so
sehr er und die „vernünftigen und intelligenten Männer‘ den Plan für moralisch
halten mögen, yolkswirtschaftlich nicht haltbar ist, einen Schlag ins Wasser, eine
moralisch unhaltbare zwangswirtschaftliche Störung der Welt;
wirtschaft — also eine Störung der Entente und der Neutralen —
bedeutet und deshalb sobald wie möglich verschwinden muß? Wenn. kein anderer
Mensch auf der ganzen Welt diese logische Konsequenz ziehen will, Auld muß sie
angesichts seiner Erkenntnisse ziehen, wenn. er sich nicht moralischen Vorwürfen
aussetzen will. So schreibt ihm die Kölnische Zeitung,(@, a. O0.) bereits jetzt ins
Stammbuch: „Man gewinnt bei der Lektüre des Auld’schen Vortrags den Eindruck,
daß Auld sich für das neue amerikanische Regime als Nachfolger Parker Gil-
berts empfiehlt.‘
Die schon früher erwähnte erkenntnisstarke und bemerkenswerte Zuschrift „aus
Kreisen der Großwirtschaft‘“ an die: Kölnische Zeitung (13. 9. 27) mit der Über-
schrift „Die uneinheitliche Haltung zum Dawesplan‘* veranlaßt uns, hier Vorschläge
für eine Reparationspolitik zusammenzufassen, statt eine. solche Zusammenfassung
dem Leser, soweit er Politiker ist, selbst zu überlassen. Die Zuschrift klagt darüber,
daß nirgendwo ein klarer Wille oder ein Plan zu erkennen sei, wie wir aus dem
Reparationsproblem herauskommen sollen. Höchstens könne man die. offenbar noch
nicht abgeschlossene Geschäftigkeit der Parteien, in der Zwischenzeit ein Gebäude
von sozialen Lasten. aufzubauen, das in Verbindung mit Lohnerhöhung und Arbeits-
zeitverkürzung die Überschüsse der Wirtschaft ganz zu verschlingen drohe, als eine
mehr oder weniger bewußte Politik ansehen. Diese Taktik soll nach dieser. Zuschrift
dahin gehen, einen von der Entente etwa; gewünschten Abbau der sozialen Lasten
als einen. nach dem Dawesplan unzulässigen Versuch erscheinen zu lassen, unsere
Lebenshaltung unter die unserer europäischen Nachbarn herunter zu drücken. Diese
Taktik müsse erfolglos sein, da man Deutschland an dem Beispiel ‚seiner Nachbarn
die Übersetztheit seiner sozialen Lasten klar beweisen könne; der letzte Bericht von
Parker Gilbert sei hierzu der Anfang, die nächsten. Berichte dürften deutlicher
1) In dieser Meinung Bonn’s liegt kein Gegensatz zu unserer Auffassung von der
Möglichkeit der inneren Aufbringung; die innere Aufbringung erfolgt letzten Endes durch Be-
schlagnahme von Altkapital und Gewinnen (das: ist Neukapital), beides im privatwirtschaftlichen
Sinne; sowohl diese Beschlagnahme wie der Steuerdruck als solcher läßt — ‚als den Ort des
zeringsten Widerstandes — ın erster Linie berechtigte kulturelle Bedürfnisse nicht befriedigt.
werden.