Das Phänomen der Konsolidierung von Zahlungsbilanzsalden. 25
Eine Wirkung auf.den Kurs haben nur die überstehenden Enden der vor-
stehenden Buchstabenreihen. Die Wirkung zwischen Kurspunkt 1 und 2 ist stö-
rend für den Wert der Mark, die Wirkung bei Kurspunkt 3, wo den Buchstaben
RR keine VV gegenüberstehen, ist dagegen umgekehrt, Hierin liegt die obige
prinzipielle Paralysierung.
Dazu kommt folgendes, wobei wir diese Spekulationsgeschäfte als „kleine
Spekulation‘, die aus der Hand in den Mund lebt und nur Spekulationen auf kurze
Sicht macht, bezeichnen wollen, denen die „große Spekulation‘, die auf lange Sicht
arbeitet, gegenübersteht1). Die störende Wirkung zwischen Kurspunkt 1 und 2
kann dadurch aufgehoben werden, daß als Käufer „große Spekulanten‘ mit Rück-
deckungskäufen auftreten, welche früher bei Kurspunkt 8, 7 oder 6 Markbestände
verkauft, das Engagement mit „eisernen Nerven‘“ durchgehalten haben und erst
jetzt liquidieren. Sie haben ihr Geld in der Zwischenzeit in England beschäftigt und
werfen es nun wieder nach dem hochverzinsenden Deutschland zurück. Treffen
solche großen Rückdeckungskäufe mit den Verkäufen obiger kleinen Hände zusam-
men, entsteht wiederum für den Markt ein durchlaufender Posten, sodaß die Wir-
kung der spekulativen kleinen Verkäufe auf den Kurs verpufft, ohne Schaden an-
zurichten. Die günstige Wirkung der bei Kurspunkt 3 isoliert stehenden RR für
die Aufwärtsbewegung der Mark kann dagegen katastrophal werden, aber nicht
für den Kurs der Mark, sondern für die kleinen Spekulanten, wie noch zu zeigen
sein wird.
Im übrigen gelten die vorstehenden Ausführungen in ähnlicher Weise für
die „kleine Spekulation‘, welche nicht effektive Guthaben verkauft, son-
dern blanko, ohne Guthaben zu besitzen, Mark auf Termin verkauft. Auch
darauf ist noch zurückzukommen.
Im ganzen ergibt sich mithin für den englischen Markt, daß die für Deutsch-
land: schädliche Baisse-Spekulation in Mark mit einer Reihe von Hindernissen
ausgestattet ist. Wenn. man die volle Bedeutung dieser Hindernisse erkennen
will, muß man sich daran erinnern, daß während der Inflation, als der dauernde
Fortgang der Markentwertung sozusagen für jeden ausländischen Hotelhausknecht
eine notorische Tatsache war und somit die Baisse-Spekulation des Auslandes
gegen die Mark eine bis dahin unbekannte Sicherheit der Chance bot, es trotzdem
nicht dazu kam, daß die Mark täglich unter Null fiel, sondern daß sie sich nach
EaES Kurssprüngen immer wieder erholte und jahrelang nicht „kleinzukriegen‘‘
war ®).
Auch für den Berliner Pfundmarkt liegt eine ähnliche und natürlich umge
kehrte Erscheinung vor. Wer zwischen Kurspunkt I—1II und II—1II in Berlin mit
effektiven Pfunden A la hausse spekuliert, muß bei I oder II Pfunde kaufen und bei
II oder III wieder abgeben. Die Pfunde bringen inzwischen Zins. Ist der deutsche
Zins höher, so sind von der Kursgewinnchance die entgangene Zinsdifferenz
1) Prion, Börsenwesen, Handwörterbuch der Staatswissenschaften. 4. Aufl. Gustav
Fischer — Jena 1924, S. 1043: „Man unterscheidet nach der Kapitalkraft (bekannte oder
vorgetäuschte), nach dem Umfang der Geschäfte, vielfach auch nach der Skrupellosigkeit, mit
der die Geschäfte durchgeführt werden: die große und kleine Berufsspekulation.“ — Wenn
„Skrupellosigkeit“ mit „volkswirischaftlich schädlich“ gleichzusetzen ist, so ist es jedenfalls
in vorliegendem Fall völlig umgekehrt: die kleine Spekulation mit geringerer Skrupellosigkeit,
also die obigen ungedeckten VV zwischen Punkt 1 und 2, die nur den Mut zu kurzfristiger,
totsicherer Hausknecht-Spekulation hat, wirkt u. U. schädlich, während die „große Spekula-
tion‘, wie noch zu zeigen sein wird, wertvolle volkswirtschaftliche Dienste leistet, .
2) Näheres siehe Mahlberg, Goldkreditverkehr und Goldmarkbuchführung, Julius
Springer, Berlin 1923.