Full text: Das Jungdeutsche Manifest

schaft war nur möglich, weil die hier geschilderten Nachteile bis zur 
völligen Entfremdung von Volk und Staat geführt hatten. 
Eine Beigabe des Beamtentums, welche im beson— 
deren Gegensatz zu den Voraussetzungen einer hoch— 
wertigen politischen Führerschaft steht, ist die Dienst— 
altersfolge. 
Jede bevorzugte Kaste hat das Bestreben, sich um der eigenen 
Vorteile willen abzuschließen. Eine Summe von Menschen aber, die 
an einem gemeinsamen Vorteil beteiligt ist, strebt nach einem Aus⸗ 
gleich der Nutznießung. Dieser Ausgleich besteht für eine Führerkaste 
in der Dienstaltersfolge. Sie nimmt allen den unruhigen Kampf ums 
Dasein und eröffnet ihnen den ruhigen und wohlgefälligen Ausblick 
auf ein erleichtertes Leben, dessen Verlauf man nach bestimmten Be— 
rechnungen überblicken kann. Die Dienstaltersfolge ist überall dort 
tragbar, wo die Anforderungen an die einzelnen Beamten so selbst— 
verständlich gleich sind und auch von jedem Einzelnen ohne weiteres 
erfüllt werden können, daß ein Höchstmaß der Tüchtigkeit nicht grund⸗ 
legende Vorbedingung ist. 
Für die politische Führerschaft eines Staatswesens 
ist die Dienstaltersfolge untragbar. 
Sie muß natürlicherweise zur Erstarrung und Vergreisung führen. 
Strebsamkeit und Wille zur Leistung brechen sich an unumstößlichen 
Normen der Entwicklung. Die Tüchtigkeit erlahmt in einem selbst— 
verständlichen und träge dahinstreichenden Wartezustand. Die Er— 
höhung des vorwärtsstrebenden Führers, der Lohn für seine Lei— 
stungen wird nicht erkämpft, sondern alles bewegt sich nach starren 
Gesetzen auf den Menschen zu. Nicht Tüchtigkeit entscheidet, sondern 
Wartezeit. Die Dienstaltersfolge widerspricht jedem staatsmännischen 
Denken, das die Hebung der geistigen Schätze und Fähigkeiten eines 
Volkes und seiner Führerschaft zum Untergrunde der Staatsbildung 
macht. Staaten, die ihre Führerschaft nach der Dienstaltersfolge glie— 
derten, haben noch niemals einen bleibenden Bestand gehabt. Ihre 
Träger brüsten sich eitel mit dem Glanze nicht erkämpfter Würden. 
Sie hassen das Lebendige und Schöpferische, das stets von dem 
kämpfenden und schaffenden Genius geboren wird. Jedem Willen 
zum Fortschritt steht der Hang zum Rückschritt entgegen. 
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