Die Führer des bündischen Wesens in Deutschland empfinden am
besten diesen Hohlraum deutscher Erziehung und deutschen Wissens.
Um ihren Amtern gerecht zu werden, deren Grundlage und Charakter
dem Führertum im Volksstaat ähnelt, sind sie gezwungen, in diese neue
Wissenschaft hineinzuwachsen. Je mehr sie von diesen neuen Erkennt—
nissen erfüllt werden, um so mehr erkennen sie die Unzulänglichkeit
ihrer früheren Bildung.
Die bündische Intelligenz des gegenwärtigen
Deutschlands entfremdet sich deshalb zusehends der
verstaatlichten Intelligenz des vergangenen Obrig—
keitsstaates.
Wie aber die Schöpfung des preußisch-deutschen Heeres eine neue
kriegerische Führerschicht und mit ihr auch eine neue kriegerische
Wissenschaft geschaffen hat, so wird die Schöpfung des Volksstaates
mit einer neuen Führerschaft auch eine neue Führerwissenschaft ge—
bären. Die Entfesselung des Gemeinschaftslebens wird bald den Ruf
nach dem Ausdruck neuer Empfindungen ertönen lassen. Der Katechis—
mus eines rechten und treuen deutschen Staatsbürgers und der
Katechismus für den Volksführer aller Grade wird das unerläßliche
Handbuch zur Begründung einer neuen Kultur, die die morsche Lebens—
auffassung eines verantwortungslosen Untertanentums und eines nicht
im Volke wurzelnden Führertums ablöst.
Die neuen Gesetze von Pflicht und Gemeinschaft, von Einzelwohl
und Gesamtwohl, die das bündische Leben Deutschlands um seines
eigenen Bestandes willen erstreben muß, sind Sinnbilder und Vor—
bilder einer Gemeinschaftslehre und einer Führerwissenschaft, wie sie
das deutsche Volk hervorbringen muß, wenn es sich im Volksstaat
der Zukunft selbst verwalten und führen will.
Potsdam unoͤ Weimar
Unter den Begriffen Potsdam und Weimar versteht das deutsche
Volk zwei verschiedene Begriffe von staatlicher Gliederung. Im Zeichen
von Potsdam versinnbildlicht sich der Begriff von der disziplinierten
Organisation des Staates. Der Inhalt dieses Begriffes ist in erster
Linie die Pflichterfüllung. Im Zeichen von Weimar versinnbildlicht
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