154 Die sozialen Anlagen des Menschen und das Wesen der Gesellschaft.
gegenüber gefördert: so bildet ihre Mitteilsamkeit eine wichtige Tat-
sache in dem Mechanismus der Führerschaft.
Zweitens verhilft unser Trieb zur Ausbreitung von Kennt-
aissen über die persönlichen Verhältnisse innerhalb der Gruppe. Zu
solcher Verbreitung ist die in der Regel als „Klatsch“ übel beleumundete
Neigung, sich über die persönlichen Verhältnisse und das Verhalten Ab-
wesender zu verbreiten, geeignet. In Wirklichkeit ist jene Neigung im
ganzen genommen nicht ohne gedeihliche Folgen, ebenso wie das ihr
entsprechende Verlangen, sich über die Verhältnisse seiner Umgebung
zu unterrichten, das in der Regel ebenso als Klatsch verurteilt wird.
Aber auch die persönlichen Verhältnisse der Anwesenden bilden einen
ebenso beliebten Gesprächsgegenstand: Jeder spricht sich gern über seine
sigenen Schicksale und Erlebnisse aus und verhilft dadurch den übrigen
zur intimen Kenntnis seiner Verhältnisse; die Resonanz, die er dabei
in seiner Umgebung findet, gewährt ihm Anregung und Befriedigung
und wirkt dadurch sozialisierend. Allgemein aber erwirbt sich durch die
hier angeführten Tatsachen jeder eine eingehende Kenntnis sowohl der
besonderen Verhältnisse seiner Gruppengenossen wie der allgemeinen
Eigenschaften der menschlichen Natur überhaupt, und diese Kenntnis
armöglicht ihm wiederum in seinem Handeln einen höheren Grad von
Anpassung und Zweckmäßigkeit, als beides bei dem bloßen intuitiven
Verständnis möglich wäre, auf das sich der Mechanismus der Übertra-
gung durch Ausdrucksbewegungen beschränkt.
Endlich haben wir im Mitteilungstrieb eine legte Wurzel der all-
gemeinen Neigung zum Belehren zu erblicken, die wir überall
im menschlichen Leben, besonders aber bei älteren Leuten im Verkehr
mit jüngeren beobachten können. Hier handelt es sich nicht um die per-
sönlichen Verhältnisse, sondern um Kenntnisse von einem allgemeineren,
mehr theoretischen Charakter. Schon bei den Naturvölkern finden wir
eine Fülle von derartigen Kenntnissen nüßlicher Art allgemein verbreitet
und ebenso eine Fülle von Erzählungen und Mythen, in denen sich ein
Weltbild und eine Lebensauffassung als wesentliche Bestandteile eines
geistigen Lebens bekunden. Die Ausbreitung und Überlieferung aller
dieser Kenntnisse wäre schwer begreiflich ohne eine unmittelbare trieb-
hafte Wurzel. Selbst da, wo bereits, wie bei manchen Stämmen, während
der Vorbereitung zur Reifefeier ein gewisser Unterricht stattfindet, ist
Jessen Entstehung selbst ohne jene Wurzel schwer zu erklären. Welche
Bedeutung der Mitteilungstrieb dadurch sowohl für das praktische wie
auch für das rein geistige Leben gewinnt, liegt auf der Hand. ;
6. In enger Beziehung zur Ausdruckstätigkeit steht diejenige all-
vemein menschliche Verhaltungsweise, die man zurückführen kann auf