Full text: Wahrscheinlichkeit, Statistik und Wahrheit

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Probleme der physikalischen Statistik 
Andererseits darf man den Geltungsbereich der Fehler- 
theorie nicht, wie das oft geschehen ist, übertreiben. Nicht 
alle Schwankungen, die es irgendwo gibt, folgen dem Gesetz 
der Glockenkurve und nichts wäre verkehrter als anzunehmen, 
daß nur dort zufallsartige Abweichungen von einem 
Mittelwert vorliegen, wo die Verteilung diesem Gesetz entspricht. 
Die schon erwähnte englische Schule der „Biometriker‘‘, die von 
Karl Pearson begründet wurde, legt mit Recht großen Nach- 
druck darauf, daß das Gaußsche Gesetz nicht aller Weisheit 
letzter Schluß in der Statistik ist. Und wenn man auch manchmal 
in den Untersuchungen, die aus dem Pearsonschen Kreise 
stammen, eine tiefere wahrscheinlichkeitstheoretische Begründung 
vermißt, so darf man keinesfalls verkennen, wie sehr sie durch 
ihre freiere Auffassung vom Wesen einer statistischen Verteilung 
dem Fortschritt der biologischen Statistik gedient haben. Man 
müßte wünschen, daß umfassendere Arbeiten in dieser Richtung 
endlich einmal auch in Deutschland aufgenommen werden. 
Mit diesen Hinweisen möchte ich meine Ausführungen über 
die Anwendung der Wahrscheinlichkeitstheorie in der Statistik 
beschließen. Auf gewisse Fragen, die mit den Grundlagen der 
Fehlertheorie zusammenhängen, komme ich noch in dem jetzt 
folgenden letzten Abschnitt zurück. 
Probleme der physikalischen Statistik 
Nun habe ich nur noch von einem Anwendungsbereich der 
Wahrscheinlichkeitsrechnung ausführlicher zu sprechen, der etwa 
seit einem halben Jahrhundert erschlossen ist, in unserer Zeit 
stetig steigende Bedeutung erlangt und gerade in grundsätzlicher 
Hinsicht das größte Interesse in Anspruch nehmen muß. Ich 
meine damit die Rolle, die der Wahrscheinlichkeitsbegriff heute 
in der theoretischen Physik spielt, eine Rolle, die geschaffen 
wurde durch den genialen Gedanken Boltzmanns, einem der 
Wichtigsten Sätze innerhalb des physikalischen Lehrgebäudes, 
dem sogenannten zweiten Hauptsatz der Wärmetheorie, die 
Form einer Wahrscheinlichkeitsaussage zu geben. Ich brauche, 
wenn ich Ihnen die Verhältnisse, um die es sich hier handelt, 
näherbringen soll, nichts an besonderen physikalischen 
Kenntnissen vorauszusetzen. Es ist sogar für den ersten
	        
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