Arbeitsmarktkrise 1925/26
Der deutsche Arbeitsmarkt hatte sich bekanntlich im
ersten Halbjahr 19025 sehr günstig entwickelt. Der Iu
dustrie, die mit Aufträgen so reichlich versehen war,
daß vielfach von einer Hochkonjunktun gerebet wurde,
war es möglich, zeitweise den überwiegenden Teil der
Arbeitsuchenden aus dem Arbellsmact zu nehmen
Die Zahl der unterstützten Erwerbslofen ging bis zum
l. Juli 1925 bis auf die ungewöhnlich medere Zahl
von 195 099 zurück und stieg auch in den folgenden
Monaten zunaächst noch wenig an Mit dem Nonat
November 1925 trat aber dann eine jahe Verschlech⸗
terung des Arbeitsmarktes ein. Dieser pPlößliche An—
schlag war einmal die Folge der akuten Krise, die Wer
das deutsche Wirtschaf sleben hereinbrach und in zahl⸗
reichen Konkursen und Betriebseinstellungen ihren Aus—
druck fand Sie war aber auch dadurch bedingt, daß
die wirtschaftlichen Strukturveränderungen, die in den
Jahren der Inflation und Stabilisierung durch beson—
dere Umstände verschleiert waren, erst jetzt klar in Er—
scheinung traten. Im Zusammenhang damt virtte
sich gleichzeitig der bekannte Umstellungsprozeß der
heutschen Wirtschaft aus, der zu einem Abbau zahl
reicher Arbeiter und Angestellter führte. Die Zahl
der unterstützten Erwerbslofen stieg bis zum 1De—
ember 1925 auf 673 315, zum 1.Januar 196
auf 1498 681 und zum 1. März auf 2056928 Dazu
kamen an dem letztgenannten Stichtage noch 22785312
Zuschlagsempfänger. Gleichzeitig waren zahlreiche B
riebe genötigt, zur Kurzarbeit überzugehen. Fur den
Umfang, in dem dies geschehen ist, bietet die Kurz⸗
irbeiterstatistik der Arbeiterfachverbaͤnde einen Anhalt,
anach stieg die Zahl der Kurzarbeiter, auf je 100 Mu
Jlieder berechnet, von 6,0 im August 1925 4uf 2m
Januar 1926
Maßnamen der Reichsregierung im
Winter 1925 26
Das Reichsarbeitsministerium erxkannte schon bald,
aachdem die Krise auf dem Arbeitsmarkt eingesetzt
bne daß die bisherigen Maßnahmen ur Bekampfung
er Erwerbslosigkeit gegenüber diesen außerordent
lichen Notstande nicht ausreichten. Es daher be—
reits im Dezember 1925 in Verhandlungen mit den
Sozialministerien der Länder ein, um das bisherige
System der produktiven Erwerbslosenfürsorge zu
weitern und eine Verstärkung der Notstandsarbeiten
zu erreichen. Im Verfolg dieser Verhandlungen wur⸗
den zunächst — zu Anfang 1926 — einer Anregung
des Preußischen Volkswohlfaͤhrtsministeriums entspre⸗
chend, die Bedingungen fuͤr die Förderung öffentlicher
Notstandsarbeiten in wesentlichen Punklen (Anteil des
Reichs und der Länder aun den Gesamtkosten, Tilgungs—
frist und Verzinsung der gewährten Darlehen) erleich—
lert, um auch Gemeinden mit weniger günstiger
Finanzlage die exforderlichen Notstandsarbeiten zu
rmöglichen; ein Abdruck des Erlasses ist beigefugt
Die Reichsregierung ging indes schon damals davon
us, daß die wirksame Bekaͤmpfung einer Arbeitslosig⸗
eit von solchem Unfang und solcher Dauer in
inem weiten gespannken Rahmen moögsch fet Ihre
Maßnahmen beschränklen sich daher nicht auf das Ge—
iet der Notstandsarbeen. Vielmehr be—
hloß das Kabinett, der Reichsbahn fuͤr die Vergebung
on Aufträgen über das Maß hinaus, das sie aus
igener Kraft leisten konnte, gemaͤß einem Abkommm
om März 1926 einen Kredit von 100 Millionen
u gewähren, Eine Vermehrung der Arbeitsgelegenheit
ewirlte auch ein Erlaß des Reichsftnanzmimnsters, in
em er sich damit einverstanden erklärte, daß gewisse
Arbeiten aus dem Haushallsplan für das Jahr 1926
ereits vor Beginn des Haushaltsjahres in Angriff ge—
ommen würden. Damals setzten auch bereils die Be—
althungen des Reichswirtschaflsministeriums zu einer
atkräftigen Förderung der deutschen Ausfuhr ain, die
derhandlungen über die Ausfallgarantie fur das
ussengeschaft und über die Erportkreditver sicherung
zurden eingeleitet. Im übrigen waren damals dem
Zestreben der Reichsregierung, vermehrte Arbeits
elegenheit bereitzustellen, durch die Lage des Geld—
narlts noch enge Grenzen gesetzt: das geringe Angebot
in flüssigem Gelde mußte unter allen Umständen ubg
ichst ungeschmälert der schwer kaͤmpfenden Wutschaft
elassen werden.
II.
Beratungen im Unterausschuß des Volks—
virtschaftlichen Ausschusses des Reichstages
Auch im Reichstag fand die Not der zahlreichen
Arbeitslosen ein lebhaͤftes Echo. Besonders eingehend
vurden Notwendigleit und Moͤglichkeiten der Mons
eschaffung in dem Unterausschuß behandelt, den der
3. Wolkswirxtschaftliche) Ausschuß des Reichstages
ꝛereits in fruͤheren Jaͤhren zur Beratung der Maͤß
ahmen gegen die Arbeilslosigkeit eingesetzt haute
Anter dem Vorsitz des inzwischen berstorbenen Abge⸗
rdneten Robert Dißmanu, der sich mit besonden
hingebung dieser Aufgabe widmete, bemuhle sich dieser
lnterausschuß in zahlreichen Verhandlungen und
Sitzungen mit Vertretern der verschiedenen Reich
essorts, ein Bild davon zu gewinnen, in welchem Un
ange die Beschaffungsstellen des Reiches und der Lan
er im laufenden Jahre im Rahmen ihres Haushalts
och Aufträge oder Arbeiten vergeben önnten. Dar⸗
ber hinaus suchte er festzustellen, wolche Arbeits mög
hkeilen erschlossen werden könnten, wenn diesen Stet—
n voch weitere Mittel über ihren Haushalt hinaus
ur Verfügung gestellt oder wenn ihnen die Ermächti—
Jung gegeben würde, solche Arbeiten ganz oder teil
veise vorwegzunehmen, die für den Haushaltslan des
Jahres 1927 vorgesehen waren Bie Banclet de
erschiedenen Refforis haben n diesen Verhandlungen
lmfang und Art der Auf rage und Lieferungen, die
n ihrem Geschäftsbereich unmelbar vergeben boder
nit ihrer finanziellen Hilfe ermbalicht werden können,