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schaften waren im Dezembeer 1923 28% arbeitslos, Arbeitssuchende meldeten
sich Dezember 1928 nicht weniger als 941 auf 100 Stellen. Wenn auch die
Arbeitslosenzahl nach Einführung der Rentenmark beträchtlich zurückgegangen
ist, so kann man anderseits bei einer Reorganisation und Modernisierung von
Industrie, Landwirtschaft und Handel mit einem Menschenüberschuß rechnen,
der entweder arbeitslos sein wird oder anderweitig als bisher beschäftigt
werden muß.
Es werden bei der Reorganisation manche veralteten Fabriken ein-
gehen, manche Existenzen brotlos werden, die Zahl der Arbeitslosen
mag steigen. Die Hauptsache ist, die bestehenbleibenden Betriebe auf
dem Stande der höchsten, rationellsten Technik, durch Austausc h
von Betriebserfahrungen, zu erhalten, dadurch den Leerlauf
zu verhindern und die billigere Produktion im Interesse der Haupt
abnehmer, der großen Masse der Konsumenten, zu ermöglichen.
Außenhandel. Um Deutschland als Absatzland bemühen sich
1atürlich wieder alle Länder, aber anderseits für Deutschland als Liefe-
ranten die frühere Anerkennung und in Zollfragen angemessene Be
handlung zu finden, macht keine geringen Schwierigkeiten. ;
Deutschlands Anteil am Gesamthandel der Welt betrug 1913 bereits 18,2%,
1923 hingegen nur 9,3%, also etwa die Hälfte. Deutschlands Einfuhr 1923
setrug in Goldmark nur 54,3%, seine Ausfuhr 59,6% des Jahres 1913, und in
Mengen nur 483% der Einfuhr und etwa 52% % der Ausfuhr 19138. Das sind
raurig niedrige Ziffern.
Der ganze deutsche Lebensstandard hat sich danach zu richten.
Es ist aber bekanntlich schwer, sich aus besseren Verhältnissen an
irmere, vom Reichtum der Vorkriegszeit an die Armut der Gegenwart
zu gewöhnen. Doch es muß geschehen. Der Wiederaufbau Deutsch-
jands beginnt auf einer niedrigen Stufe des Komforts, hauptsächlich
allerdings, weil Tabak, Alkohol, Bier und andere Reiz- und Genuß-
mittel, wie auch Artikel der Frauenmode, im Gebrauche stark ein-
zeschränkt werden könnten, um dafür andere Konsumartikel mehr zu
verwenden. Export ist nötig, um die Rohstoffeinfuhr zu bezahlen, aber
Export ist. kein Ersatz für mangelnden Inlandsabsatz. Dieser Punkt
kann nicht genügend hervorgehoben werden,
Die gelegentliche Aktivität der Deutschen Handelsbilanz ist nicht als ein
‚ünstiges Zeichen aufzufassen, sondern als ein Beweis für mangelnde Nach:
'rage des Wirtschaftslebens nach zu veredelnden Rohstoffen.
Generaldirektor Eichberg berechnet die für die Durchführung
des Dawes-Planes und jährliche Aufbringung von 22%. Milliarden
notwendigen Exporte Deutschlands auf 14 Milliarden gegenüber etwa
\0 Milliarden vor dem Kriege; wie diese zustande kommen sollen bei der
Verarmung Europas, das früher drei Viertel der deutschen Ausfuhr auf-
nahm, und bei dem äußerst langsamen Wiederaufbau des russischen
Wirtschaftslebens, ist z. Zt. schleierhaft.
Verwundert habe ich, der ich etwa 10 Jahre in Rußland gelebt habe
Asch Krieg, Revolution und einigen Jahren bolschewistischen Regiments die
Sründerwut in Berlin beobachtet, wo eine osteuropäische Gesellschaft nach
der anderen entstand, als ob in Osteuropa schnell viel Geld verdient werdet