Full text: Die drei Nationalökonomien

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ist, dem Psychologismus den Garaus gemacht zu haben (was den 
Neukantianern nicht. geglückt war) und die dadurch — auf Um- 
wegen — zur Begründung der geistwissenschaftlichen Forschungs- 
weise beigetragen hat. Aber es ist Dilthey doch niemals ge- 
lungen, seinen psychologistischen Glauben ganz zu verleugnen. So 
heißt es noch in seiner 1907 geschriebenen Abhandlung über 
„Das Wesen der Philosophie‘ 50: „Die Verbindungen, in welcher 
Wirtschaft, Recht, Religion, Kunst und Wissenschaft untereinander 
und mit der äußeren Organisation der menschlichen Gesellschaft 
stehen, können doch nur (!) aus dem umfassenden, gleichförmigen 
seelischen Zusammenhang verständlich gemacht werden, aus dem sie 
nebeneinander entsprungen (!) sind und kraft dessen sie in jeder psy- 
chischen Lebenseinheit zusammenbestehen, ohne sich gegenseilig zu 
verwirren und zu zersetzen... Dieser Zusammenhang in einem solchen 
System (Wirtschaft, Recht, Kunst, Religion) ist kein anderer als der 
seelische Zusammenhang in den Menschen, welche in demselben zu- 
sammenwirken. Sonach ist er schließlich ein psychologischer.“ 
“Unterstreichung von mir.) 
Ich sagte vorhin: es sei nicht verwunderlich, daß die Männer, die 
wie Dilthey vor 50 Jahren sich ihre Ansichten bildeten, den psycho- 
logistischen Standpunkt vertreten haben. Verwunderlicher ist es schon, 
daß er auch heute noch von Philosophen und Soziologen geteilt wird, 
und zwar von solchen, die einen offenen Sinn für die Eigenart der 
zeistwissenschaftlichen Forschungsweise oft genug bekundet haben. 
Und doch ist dem’ so. C. Stumpf ist der Ansicht, „daß das Primäre 
aller jener Betätigungen, auf welche die Theorie und Geschichte der 
Sprache, Religion, Kunst, Staats- und Rechtsbildung sich ‘bezieht, im 
psychologischen Gebiete liegt, in Wahrnehmungen, Vorstellungen, 
Gemütsbewegungen, Trieben, Willensentschließungen‘“. E. Becher 
nennt die Kultur ein „hochkompliziertes psychophysisches Gebilde 
im sozialen Leben“ und meint: „Alle diese Disziplinen (Kulturwissen- 
schaften)” haben es mit psychischen (!) Realobjekten zu tun und 
können daher (!) als (realwissenschaftliche) Geisteswissenschaften 
50 W,. Dilthey, Ges. Werke. 5, 157. 
51 Carl Stumpf, Zur Einteilung der Wissenschaften. Abhandl. der preuß. 
\kademic der Wiss. vom Jahre 1906. S. 24.
	        
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