202
nis‘ gute Dienste, bleibe aber theoretisch deshalb „bedenklich“, „weil
es sich nicht in allgemeingültigen Formen fassen läßt und weil
diesem einfühlenden Sich-Hinein-Versetzen die Einsicht in die Not-
wendigkeit des erahnten(!) Zusammenhanges fehlt, die... allein eine
wissenschaftlich ernst zu nehmende Rechenschaftsablage ermöglichen
würde‘,
Hier liegt doch eine unzweifelhafte Verkennung des Wesens unserer
Erkenntnisart zugrunde, die für eine Art „unio mystica‘“ gehalten
zu werden scheint. Bei der Vieldeutigkeit, die auch das Wort „An-
schauung‘‘ und gar der Ausdruck „Intuition“ hat, will ich kurz die
Beziehungen angeben, die das Verstehen zu diesen beiden Begriffen
hat.
Da gilt es nun vor allem festzustellen, daß dieses mit „Anschauung“‘‘
und „Intuition“ nicht mehr und nicht weniger als jede wissenschaft-
liche Erkeuntnisart, also auch das naturwissenschaftliche Denken, zu
tun hat. Ich halte deshalb auch die Gegenüberstellung, wie sie Salin®
vornimmt, von „anschaulichem“ und „rationalem“ Denken, nicht für
glücklich. Jedes fruchtbare Denken ist „anschaulich‘‘ und jedes klare
Denken ist „rational“, mag es sich auf Gegenstände der Natur oder
solche des Geistes beziehen.
Daß jedes fruchtbare Denken nur auf dem Hintergrunde einer
lebendigen Anschauung des Konkreten, Individuellen, Ganzen statt-
finden könne, sollte nicht zweifelhaft sein. In seiner herrlichen, „an-
schaulichen‘“‘ Art hat das doch Schopenhauer ein für allemal
wie folgt ausgesprochen: „Das mit Hilfe anschaulicher Vorstellun-
gen operierende Denken ist der eigentliche Kern aller Erkenntnis,
indem es zurückgeht auf die Grundlage aller Begriffe. Daher ist es der
Erzeuger aller wahrhaft originellen Gedanken.... Jede wahre und
ursprüngliche Erkenntnis muß zu ihrem innersten Kern oder ihrer
Wurzel irgendeine anschauliche Auffassung haben. Diese, obgleich
ein Momentanes und Einheitliches, teilt nachmals der ganzen Aus-
einandersetzung, sei sie auch noch so ausführlich, Geist und Leben
85 E. Salin, Hochkapitalismus. Eine Studie über Werner Sombart, die deutsche
Volkswirtschaftslehre und das Wirtschaftssystem der Gegenwart im Weltwirtschaft-
lichen Archiv. Bd. 25. Heft 2. 1927.
* A, Schopenhauer, Von der vierfachen Wurzel usw. $ 28 am Ende. Vgl.
jetzt auch N. Hartmann, Metaphysik der Erkenntnis. 1921, und Max Scheler,
Idealismus und Realismus im Philosoph. Anzeiger. 2, 27h.