32 V. Besonderheiten der bedingten Meistbegünstigungsklausel.
Man wird jedoch annehmen müssen, daß Sondervorteile, die der
meistbegünstigte Staat zur Zeit des Vertragsschlusses schon genießt,
auch vom bedingt berechtigten Staat unentgeltlich verlangt werden
können. Die bedingte Meistbegünstigungsklausel soll das Risiko, das
die Gewährung der unbedingten Meistbegünstigungsklausel von noch
ungewissem Werte mit sich bringt, ausschalten, indem die evtl. ZU-
künftigen Sondervorteile, die dritten Staaten zugestanden werden, von
Fall zu Fall gegen ein entsprechendes Entgelt und nicht im voraus
durch eine Pauschalkompensation erkauft werden. Da der Wert der
zur Zeit des Vertragsschlusses dem meistbegünstigten Staate gewährten
5ondervorteile in diesem Zeitpunkte schon bestimmbar ist, darf er auch
als bereits abgegolten betrachtet werden.
$ 11. Die bedingte Meistbegünstigungsklausel als Vorvertrag.
Der bedingt berechtigte Staat, der einen Sondervorteil, welcher
zinem dritten Staate eingeräumt wurde, für sich in Anspruch nehmen
will, muß sich mit dem verpflichteten Staate über das Äquivalent einigen,
las er seinerseits zu leisten hat. Es ist deshalb bezweifelt worden, daß
die bedingte Meistbegünstigungsklausel dem berechtigten Staat über-
aaupt einen Rechtsanspruch im technischen Sinne gibt?
M. E. läßt sich nicht bestreiten, daß sie von den Parteien als rechts-
erhebliche Vereinbarung gewollt und abgeschlossen ist. Im Art. x des
oben S. 48 zitierten Vertrages zwischen den Vereinigten Staaten und
Dänemark ist als Basis der Klausel zunächst der Meistbegünstigungs-
anspruch in dem Hauptsatze festgelegt. Dieser wird alsdann durch einen
anschließenden Relativsatz dahin eingeschränkt, daß der Meistbegünsti-
gungsanspruch auf entgeltlich erworbene Vorteile auch nur gegen
Leistung desselben Entgelts gegeben sein solle. Die rechtliche Unver-
bindlichkeit der Klausel müßte m. E. viel deutlicher zum Ausdruck ge-
bracht werden, zumal doch die Vermutung dafür spricht, daß mit den
Abreden, die ein Handelsvertrag enthält, ein bestimmter Rechtserfolg
gewollt ist. Ein derartiger Vorbehalt der Unverbindlichkeit findet sich
z. B. in dem Handelsvertrag zwischen dem Deutschen Reich und Frank-
reich vom I7. Aug. 1927, RGBLII, S. 523.
Art. 32: „„Dereine der Hohen vertragschließenden Teile kann von
dem andern Teil für sich Vorteile aus dem auf dessen Gebiet geltenden
gombinierten Tarifen nur dann fordern, wenn er dem andern Teile
oine tatsächliche Gegenseitigkeit anbietet.“
„Auch in diesem Falle kann diese F orderung und dieses Anerbieten
von dem anderen Teile abgelehnt werden.
1 Vgl. MEIng:a. a. 0.5. 14; BORGIUs: Deutschland und die Vereinigten Staaten,
Berlin 1899. S. 51.