Full text: Durch Abessinien und Erythräa

graziösen Bewegungen hatte fast etwas von religiöser 
Feierlichkeit an sich. Zum Schluß jedes einzelnen Tanzes 
lüfteten wir unsere Tropenhelme, um für die erwiesene Höf⸗ 
lichkeit zu danken. 
Zwischen diesen befohlenen „Fantasias“ konnte ich auch 
einzelne Beobachtungen aus dem täglichen Leben in diesem 
Gebiet machen. Ich sah Cunama-Vieh auf seinem Wege zu 
den Wasserlöchern, diesen Lebensrettern während der langen 
Zeit des Jahres, in der der Fluß versiegt. Im Barea⸗Gebiet 
arbeiteten Frauen und Kinder in den Feldern. Auch sah ich 
auf der Straße ein Bild, das diesen Landschaften selbst 
fremd war, nämlich ein Takruri-Paar, das aus Französisch— 
Kamerun kam, nach Mekka pilgerte und wahrscheinlich schon 
zwei Jahre unterwegs war. Die Frau trug alles, was zu 
einem Lager am Wegrand nötig ist, auf dem Kopf. Nicht 
mehr weit vom Roten Meere entfernt, auf dessen gegenüber— 
liegender Seite Arabien lag, werden sie wohl gefühlt haben, 
daß sie endlich dem langersehnten Ziel ihrer Wünsche nahe 
gekommen waren. 
Nicht in den ausschließlich heidnischen Distrikten, sondern 
in den Ansiedlungsgebieten, wo die Bevölkerung gemischt 
war, konnte ich Gerichtssitzungen beiwohnen. In Tessenei 
hielt der Provinzkommissar Gericht in der großen Einge— 
borenenhütte, die als lokales Verwaltungsgebäude dient. 
Farmer stritten über Verletzung von Ackergrenzen, der Be— 
sitzer einer Baumwollplantage mußte erklären, warum er 
seinem Verwalter den Lohn verweigert habe. Ein Schlächter 
war angeklagt, verdorbenes Fleisch verkauft zu haben, und 
ein anderer, daß er die Kehle einer Kuh nicht in der Form 
durchschnitten hatte, die dem religiösen Ritus seiner Käufer 
entsprach. Es gab Streitigkeiten über Verkäufe von Häuten 
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