Full text: Durch Abessinien und Erythräa

Colobusaffen schwangen sich von Zweig zu Zweig. Nach den 
Reisetagen zwischen Dornen und Felfen ergriff mich der 
Anblick und die Berührung mit der frischen grünen Natur 
aufs tiefste. 
Die Luft war angefüllt mit dem Duft der Blumen, die 
die grünen Abhänge mit ihren bunten Farben durchsetzten. 
Ich sah Oleander und Lawendel, Hortenfien, riesige Butter 
blumen und eine Blume, die aussah wie Edelweiß, aber 
noch größer und schöner war. Eine purpurfarbene Blume, 
die ich nicht kannte, nannte Efendi Bienenblume. Er 
zeigte mir eine Blume, die er „Agam“ nannte, und von 
der er behauptete, daß man sie essen könne. Ich fand, daß 
sie nach Veilchen schmeckte. Es gab ferner Zitronen⸗, Apfel⸗ 
sinen· und Olivenbäume, auch Granatäpfel, Birnen und 
Trauben. Nichts fehlte in diesem paradiesischen Lande. 
Efendis Stolz auf dieses tropische Land des Überflusses 
war schön anzusehen, aber er war nicht nur stolz, sondern 
auch glücklich, denn er näherte sich seiner Vaterstadt. Er 
hatte sie seit zwölf Jahren nicht gesehen und hoffte, seine 
Mutter, seine Brüder und viele Verwandte anzutreffen. In 
seinem Enthusiasmus wurde er lyrisch und sogar biblisch 
und auch ein wenig ungenau: „Mein Land ist wie ein 
zweites Palästina, die Berge sind wie der Libanon.“ 
Jetzt fehlten auch Wanderer auf der Landstraße nicht mehr. 
Weißgekleidete Dorfbewohner waren von allen Seiten auf 
dem Wege nach Gondar, um das jährliche Tauffest zu feiern. 
Alle schritten sie dahin mit einem anmaßenden Gesichtsaus⸗ 
druck und ohne irgendein Interesse für Fremde, ein Zug, 
der so charakteristisch für Abessinier ist. Meistens gingen 
sie in kleinen Gruppen von Männern, Frauen und Kindern, 
gelegentlich aber sah ich auch die einzelne Gestalt einer
	        
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