schaften. In diesem etwa einhundert Hütten umfassenden
Dorf war ich Gast des christlichen Missionars Baur. Als wir
auf dem italienischen Konsulat zusammen waren, hatte er
mir manche Fragen bezüglich der schwarzen Juden, unter
denen er tätig ist, und die mich schon von Beginn meines
Aufenthalts in Abessinien an interessiert hatten, beant-
wortet.
Dieses Interesse war zuerst bei mir in Addis Abeba
durch Jaceques Faitlowitsch wachgerufen worden, einen
feurigen Idealisten, der schon in mittleren Jahren war und
sein halbes Leben damit zugebracht hatte, die Lage dieses
isolierten Völkchens, dem er selbst angehörte, zu verbessern.
Nun befand ich mich mitten unter diesen Leuten, die zurück—
gezogen von den christlichen Nachbarn leben und seit Jahr—
hunderten von der Hauptmasse der Anhänger ihrer Religion
losgelöst sind.
Vor wieviel Jahrhunderten und in welcher Weise die
Spaltung stattgefunden hat, und ob die Falaschas tatsäch⸗
lich einen anderen Ursprung haben als die semitischen noma⸗
disierenden Stämme jenseits des Roten Meeres, das sind
Fragen, die bis jetzt noch nicht genügend geklärt sind. Das
Wort Falascha hat verschiedene Bedeutungen. Im Amhari-⸗
schen heißt es „verbannt“ oder „ausgestoßen“, die Falaschas
nennen sich selbst: Beta Israel, das Volk Israel. In dem
Gewirre von Tatsachen und Legenden, aus dem die Ge—
schichte Abessiniens besteht, ist der Abschnitt, der sich mit
diesen Juden befaßt, der unklarste und zugleich der inter⸗
essanteste. Einige Forscher vertreten die Meinung, daß sie
rein semitischen Ursprungs sind, andere halten sie für Nach—
kommen afrikanischer Urvölker, die zum Judentum überge—
treten sind.
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