117
politik zu erwarten. Es wäre deshalb ein grosser taktischer
Fehler den Angriff zu überstürzen. Zum allgemeinen Angriff
kann keinenfalls vor den nächsten Wahlen übergegangen
werden; und ob dann noch, ist fraglich, und hängt von den
verschiedensten Konstellationen ab. Die Zeit bis dahin kann
nur zur Einleitung und Vorbereitung des allgemeinen Angriffs
und zur thunlichsten Beseitigung einzelner, besonders unerträg
licher Härten des neuen Tarifs, insbesondere aber zum Kampf
gegen die agrarischen Zölle, benutzt werden, der keinen Augen
blick ruhen darf.
Will man überhaupt auf solchen Kampfesgebieten etwas
erreichen, so muss man die Ziele nicht allzuweit stecken. Wir
haben oben die Aufnahme des agrarischen Schutzsystems,
als den wirtschaftlich und social bedenklichsten Theil des Re
formwerks bezeichnet, gegen welchen der Nachtheil eines in
dustriellen Schutzsystems, wie es seit 60 Jahren das Bürger
recht bei uns hatte, prinzipiell und materiell weit zurücktritt.
Es sollte also zunächst der Angriff auf die Getreide-, Vieh-
und Holzzölle konzentrirt werden, vor Allem aber auf den
übertrieben hohen Koggenzo 11, den Schlüssel der agrarischen
Position. Man darf sich nicht verhehlen, wie dieser Angriff
ein sehr schwieriger sein wird. Allein schon die nächste Zeit
dürfte uns, bei dem eingetretenen bedeutenden Steigen der Ge
treidepreise, in der erregten Volksstimmung einen mächtigen
Bundesgenossen zuftlhren, seihst wenn jede illoyale Agitation
verschmäht wird. Und in nicht allzuferner Zeit muss, aus
den Reihen der Grundbesitzer selbst, eine Ruckströmung zu
den alten, auf sechzigjähriger Erkenntniss ihrer Interessen be
ruhenden wirtschaftlichen Anschauungen stattfinden. Die Bauern
werden vielleicht die ersten sein, welche die Bedeutungslosig
keit der agrarischen Zölle für ihre Interessen, und den Schaden
der erhöhten industriellen Zölle einseben. Ob die, durch die
Versprechung agrarischer Zölle, den Liberalen abgenommenen
Parlamentssitze lange in den Händen der konservativen Guts
besitzer bleiben werden, wird deshalb auch zu bezweifeln sein.
Den kleinen Besitzern dürften sich bald die, beim Getreide
export interessirten Grundbesitzer der östlichen und nördlichen
Gebietsteile zugesellen, denen die Getreidezölle am wenigsten