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wirthschaftslehre ausschliesslich die induktive Methode, die
Beobachtung der Einzelerscheinungen, verfolgen will, sieht sich
bald einem solchen Meer durchkreuzender und widersprechender
Erscheinungen gegenüber, dass er sich nur durch den Rettungs
anker der Deduktion vor dem Versinken in die tiefste Ver
wirrung bewahren kann. Wer aber bloss deduktiv verfährt,
wird sich ebenso rasch sagen müssen, wie er der Einzelbeob
achtung, der Induktion, gar nicht entbehren kann, um zu einer
klaren Einsicht in die treibenden Kräfte der Volkswirtschaft
und zur Prüfung der Richtigkeit oder Unrichtigkeit seiner, durch
Deduktion gewonnenen Grundsätze zu gelangen. Die erste trei
bende Kraft in der Volkswirtschaft ist der Mensch, der sich
die Kräfte der Natur dienstbar macht und, mit ihnen vereint,
im Wege der Arbeit, die materielle Welt zu den Gegenständen
seines Bedarfs und Begehrs benutzt oder umformt. Die Volks
wirtschaft wurzelt also in der Psychologie; ihre Gesetze ba-
siren „auf dem psychologischen Verhalten des Menschen zu den
b ragen der Arbeit und des Genusses, und ihre Aufgabe ist es,
dies Verhalten so von innen auszubilden und von aussen zu
regeln, dass die wirthschaftlichen Ziele mit den allgemeinen
staatlichen und menschlichen Kulturaufgaben harmonisch zu
sammenfallen“*). Diese Stellung im Rahmen der Wissenschaft
und des Lebens zeichnet der Volkswirtschaftslehre von selbst
ihre Methodik vor. Die Deduktion ist ihr naturnothwendiger
Ausgangs-, die Induktion ihr Zielpunkt. Je weiter die Beob
achtung in das verworrene Getriebe des Güterlebens eindringt,
je höher sich die Schätze der Erfahrung aufhäufen, desto mehr
wird die deduktive Methode in den Hintergrund, die induktive
in den Vordergrund treten; dies ist auch tatsächlich der Ent
wickelungsgang der volkswirtschaftlichen Lehre seit Adam Smith
gewesen. ' .Und der Statistik fallt die grosse Aufgabe zu, diesen
Uebergang von der theoretischen Formulirung zum exakten
Beweis zu vermitteln.
Das Lehrsystem unserer volkswirtschaftlichen Reaktionäre
*) Aus der Schrift des Verfassers: Die wirtschaftliche Krisis.
Berlin 1876.
Oechelbäuaer, Tarifreform.
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