Full text: Die Tarifreform von 1879

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theilung der Lasten und Vortheile aus Schutzzöllen. Gewiss 
kann ein Arbeitgeber, wenn er höhere Preise erzielt, den 
Arbeitern mehr Lohn gehen. Allein dieses caritative Moment 
ist leider noch nicht zu einem maassgebenden Faktor in der 
Volkswirthschaft gediehen, und so sehen wir in der Regel die 
Lohnsteigerungen erst mit der verstärkten Nachfrage nach 
Arbeitern eintreten. Wie steht’s aber nun mit den Arbeitern in 
den Zweigen, wo der Schutzzoll den Gewinn des Arbeitgebers 
und den Umfang seines Gewerbes herabdrückt, also z. B. mit 
den Hunderttausenden von Arbeitern, welche für die Ausfuhr 
beschäftigt sind? Ist es hier, selbst heim besten Willen des 
Arbeitgebers, möglich, dass er seinen Arbeitern die Schutzzoll- 
vertheuerungen durch höheren Lohn ersetze? Kurz, wir sehen 
überall eine solche Verschiedenheit der Produktions- und Kon 
sumtionsinteressen zwischen den einzelnen Individuen oder Er 
werbsgruppen, dass es als hohle Phrase erscheint, eine Aus 
gleichung von Produktionsvortheilen und Konsumtionsnachtheilen 
innerhalb derselben Persönlichkeiten oder Gruppen zu unter 
stellen. 
Die Identität des Produktions- und Konsumtionsinteresses 
erweist sich als ebenso unhaltbar, wenn man die ausserordent 
liche Verschiedenheit berücksichtigt, womit sich die Schutzzoll 
belastungen vertheilen. Dies tritt insbesondere bei der Ver 
teuerung der Rohstoffe und Halbfabrikate hervor, welche zur 
Weiterverarbeitung dienen. Die Fortwälzung auf den letzten 
Konsumenten wird hierbei, je nach den Konjunkturen, also 
wenigstens zeitlich oder örtlich, häutig unmöglich sein; unbedingt 
unmöglich ist sie aber hei den für die Ausfuhr bestimmten 
Erzeugnissen, welche hei vielen unserer Hauptindustrien eine 
so bedeutende Quote der Gesammtproduktion ausmachen. 
Welcher Unterschied z. B. in der Belastung durch den erhöhten 
Twistzoll, oh sich Jemand im Jahre für Hundert Mark Baum 
wollstoffe kauft, oder ob er Tausende von Centnern Twist zur 
Weiterverarbeitung für das Ausland bezieht? 
Wohin wir also blicken, zeigt sich, wie die Produzenten 
interessen in keiner Weise identisch mit den Konsumtions 
interessen sind, wie also die Hebung Eines Gewerbes durch 
den Schutzzoll in keiner Weise einen Schluss auf allgemeine
	        
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