Full text: Die Alters- und Invaliden-Versicherung

13 
2. Eine Rentenversicherung nnter staatlicher Garantie 
und Verwaltung ist für alle männlichen und weib 
lichen Arbeiter „der rechte Weg", um sich durch Ein 
zahlung ihrer Ersparnisse eine lebenslängliche Rente 
für ihr Alter zu erwerben. 
3. 
Diesen Grundsatz haben jene drei Staaten übereinstimmend an 
genommen, aber die Beitragszahlung den Arbeitern nicht zur 
gesetzlichen Pflicht gemacht. 
Wir erwähnten bereits, daß dieser Mangel das Gesetz nur für 
die höher gelohnten industriellen Arbeiter nutzbar gemacht hat 
und betonten zugleich, daß diese Arbeiter-Kategorie in den Industrie- 
Staaten die überwiegende Mehrheit bildet. 
In Deutschland finden wir jedoch das Gegenteil, denn von 
den 13 370000 Arbeitern, welche Mitglieder der Altersversicherung 
werden sollen, gehören nach der Berechnung in Beilage No. XII 
3 228478 der Industrie und dem Gewerbe an, während die übrigen 
10 141 522 der Land- und Forstwirthschaft, Gärtnerei, Fischerei, Jagd 
nnd zum Gesinde gehören. Diese beziehen meistenteils einen nie 
drigen Lohn, besonders die ländlichen Arbeiter, und würden wohl 
ohne obligatorische Bestimmung ebenso wenig, wie in jenen drei 
Staaten, ihre Sparpfennige 37 Jahre hintereinander zur Rentenkasse 
tragen. 
Aber für Deutschland kommt nicht blos das verschiedene Zahlen- 
Verhältniß jener Arbeiter-Kategorien in Betracht, sondern auch der ver 
schiedene Volks-Charakter. Die allgemeine Wehrpflicht, welche schon 
seit zwei Menschenaltern in Fleisch und Blut unserer Nation über- 
gcgangcn ist, hat eine erziehende Kraft geäußert: Der größere Theil 
der ländlichen Arbeiter tritt in die Armee ein und gelangt in dieser 
Schule der obligatorischen Bestimmungen zu der Ueberzeugung und 
Gewohnheit, daß eine gemeinnützliche Einrichtung für ihn gar nicht 
gegründet ist, wenn ihm die Beteiligung nicht zur gesetzlichen Pflicht 
gemacht wird. Den übrigen Teil unserer Arbeiter befähigt ihr 
ruhigeres Temperament, allen gemeinnützlichen Einrichtungen ein 
offenes Ohr zu leihen. Es wird den Herrschaften, Werkstätten-Be 
sitzern, Meistern u. s. w. nicht schwer fallen, ihren Dienstboten, Ge 
hülfen re. verständlich zu machen, daß mit dem Alter unvermeidlich die 
Arbeitsunfähigkeit eintritt, welche Mangel und Noth zur Folge hat, 
daß letztere zum Wandern nötigen und manchen Arbeiter zu Ent 
wendungen reizen, daß zur Verhütung solcher Übel der Eintritt in 
die Rentcn-Versicherung, — welche wir kurz „Altersbank" nennen 
wollen, — für alle Arbeiter zur gesetzlichen Pflicht gemacht werden 
muß, und daß ebenso, wie die bemittelten Gemeinde-Mitglieder durch 
das Gesetz gezwungen werden, einen Beitrag für die Armenpflege zu 
zahlen, auch die Arbeiter im Interesse des Gemeinwesens ver 
pflichtet sind, im jugendlichen rüstigen Alter einen Sparpfennig ab 
zugeben, damit dieser für sie selbst verwaltet und in eine Alters 
rente verwandelt wird.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.