80 Fünftes Kapitel. Das griechisch-orientalische Wirtschaftssystem.
Die Neigung zum Luxus verbreitete sich in dieser Zeit ungeheuer
und erhöhte den Warenumsatz. Für die neuen Absatzgebiete wurden
vielfach eigene Industrien ins Leben gerufen, ebenso entstanden
Industrien, die sich im wesentlichen nur mit der Verarbeitung
orientalischer Rohprodukte befaßten, z. B. mit der Anfertigung von
Salben und Ölen. Der Zwischenhandel, der sich überaus mächtig
entwickelte, förderte die Entstehung neuer Handelszentren im Osten
des Mittelmeerbeckeus, die au der Grenze von Orient und Okzident
gelegen waren, und deren Einwohnerzahlen bald viele Hundert
tausende betrugen (Diodor XVII, 52). Zu diesen Städten gehörte
vor allem Alexandria (Diodor I, 50), aber auch einige der an
deren großen Neugründungen, die nach Alexanders Tode ent
standen. Sobald nämlich die einzelnen Fürsten nach dem Zerfall
des Reiches ihre Monarchien eingerichtet hatten, mußten vor
handene Städte erweitert und neue geschaffen werden, um wür
dige Residenzen zu bilden. Die politischen Machtzentren und Ver
waltungsstellen waren zum Teil auch hervorragende wirtschaftliche
Metropolen. So neben Antiochia am Orontes und Seleukia am
Tigris die Hauptstädte Mazedoniens und Thraziens, Kassandria
und Lysimachia (Diodor XX, 29), alle nach ihren Gründern be
nannt. Mit den zuerst erwähnten Städten konnte im Westen nur
Syrakus wetteifern, bis schließlich Rom alle überflügelte, als es
gegen Ende der Republik eine Millionenstadt wurde. Neben diesen
Großstädten entstanden aber auch viele kleinere Städte und Handels
stationen, teils im mittleren Asien und in Kleinasien, teils an der
Ostküste Afrikas. Wenn auch nach Alexanders Tod niemand mehr
dies Riesenreich beherrschen konnte, so hat sein Werk und das
seiner Nachfolger gegen tausend Jahre bestanden; dann sind die
Städte vor allem den Sarazenen zum Opfer gefallen, die im
7. Jahrhundert Alexandria zum Teil zerstörten.
Die Stellung der Staaten Griechenlands wurde besonders durch
diese Verschiebung des Zwischenhandels nach Osten ver
ändert, nicht mehr in Athen stauten sich die Schätze der ganzen Welt,
sondern in den Städten des Ostens. Aber auch die griechischen
Staaten Kleinasiens hatten am Orienthandel nicht den gleichen
Anteil wie etwa Antiochia oder gar Alexandria. Nur Rhodus
war als Zwischenstation zwischen dem Süden und Griechenland
von hervorragender Bedeutung. Dadurch, daß die neuen Kolonien
zum Teil im Biunenlande lagen, bekam der Landverkehr eine
größere Wichtigkeit, die er in der Römerzeit und im Mittelalter