2 v. Schwerin-LSwitz, Unset Verhaltms zur Nordamerikanischen Union.
einer sehr bedingten Meistbegunstigung, der sogenannten „Rezipro-
zitat" —, dah es bei der sich hieraus ergebenden, vollig ungleichen
gegenseitigen Beh and lung ebenso wenig bleiben kann, roie bei den zur
Zeit geltenden Vertragen, welche bei unseren Gegenkontrahenten eine
der unserigen diametral entgegengesetzte Auslegung gefunden haben,
daruber besteht heute in einigermatzen unterrichteten Kreisen wohl kaum
noch eine Meinungsverschiedenheit.
Aber nach welchem Prinzip, nach welchem Handelsvertrags-
schstem wir denn nun eine Neuordnung anzustreben haben, das scheint
mir noch immer eine vollkommen offene Frage zu sein, die jetzt
doch mohl einer baldigen Klarstellung bedarf, eine Frage, die nicht wieder
— wie im Jahre 1891 unser Vertrag mit der amerikanischen Union
— lediglich durch eine, noch dazu spater nicht haltbare „Deklaration"
von seiten unseres Auswartigen Amtes entschieden werden kann, sondern
zu welcher alle Jnteressentenkreise rechtzeitig und mit mbglichst
vollkommener Kenntnis der tatsachlichen und rechtlichen Ver-
haltnisse Stellung nehmen sollten. Denn nur dadurch konnen sie
spater vor so unliebsamen Uberraschungen bewahrt bleiben, wie wir solche
in den letzten 15 Jahren sortwahrend erlebt haben. Und nur so kann auch
die Reichsregierung rechtzeitig in die Lage versetzt werden, sich schon
bei ihren Verhandlungen aus Forderungen der beteiligten Jnteressenten
zu stutzen, durch diese gestutzt, erfolgreich verhandeln und spater gegenuber
dem Lande die Verantwortung stir ihre Abkommen tragen zu konnen.
Von einer offentlichen Aussprache hieruber darf uns auch die Scheu
vor „neugierigen Zuhorern im Auslande", vor denen Gras Posadowsky
in der Reichstagssitzung vom 14. Januar d. I. warnte, m. E. nicht
langer zuruckhalten. Denn wir haben aus dieser Scheu und um der Re-
gierung bei ihren Verhandlungen keine Schwierigkeiten zu bereiten, m. E.
schon zu lange jede grundliche Erorterung unserer sogenannten Meist-
begunstigungsvertrage im Reichstag wie in der Presse vermieden. Wir
sind hierbei nicht nur von einer unangenehmen Uberraschung in die
andere, sondern auch zu einem immer tieferen Dunkel sowohl uber die
rechtliche Bedeutung unserer Vertrage, als auch uber die Wiinsche der
Jnteressenten gelangt. Jetzt durfte es daher die hochste Zeit sein, nach
beiden Richtungen hin, mehr Klarheit zu schaffen, damit man vor Ver
handlungen mit fremden Regierungen doch zunachst einmal weiH,
was man im eigenen Lande will.
Wer sich mit den betreffenden Vertragen der letzten zwei Jahrhunderte
auch nur oberflachlich beschaftigt hat, wird mir zugeben, dah der Begriff