Contents: Sittlichkeit in Ziffern?

Psychische Isolierung. 
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lich in der Richtung auf die örtliche Herkunft der Mehrzahl 
des weiblichen Dienstpersonals 26, Dieser Sachverhalt ergibt sich, 
wenn wir uns z. B. vergegenwärtigen, daß unter den Frank- 
furter unehelich gebärenden Dienstmädchen nur 11,2% in der 
Stadt, dagegen 52,9 % auf dem Lande geboren sind?7. Dement- 
sprechend sind auch die Verführer in ihrer Mehrzahl unter den 
in der Stadt lebenden Elementen ländlicher Herkunft, wie Sol- 
daten, Mitbediensteten usw. zu finden. Das Gesagte gilt nicht 
nur für die Väter der unehelichen Kinder der Dienstmädchen, 
sondern die der übrigen weiblichen Bediensteten überhaupt. Man 
hegte früher die Ansicht, daß die Väter der Unehelichen haupt- 
sächlich den höheren gesellschaftlichen Schichten entstammten. 
Noch Neumann war dieser Meinung, wenn er Menger 2 bei- 
pauvre jupe couverte de bouts de fil blanc, ne sont pas du goüt des fils 
de bourgeois‘). „In öffentlichen Versammlungen hört man gar oft, wie 
die ‚Besitzenden‘ als Moloch hingestellt werden, dem die ‚Unschuld der 
Mädchen des Proletariats‘ geopfert wird. Das ist eine rednerische Wen- 
dung, der in der Wirklichkeit nur seltene Fälle entsprechen. Die ersten 
Verführer der Mädchen dieser Kreise sind in der erdrückenden Mehrzahl 
Angehörige des eigenen Standes.“ (Otto von Leixner, 1888—18gı, So- 
ziale Briefe aus Berlin, 1. c., S. 123.) Man hat in Frauenkreisen sogar 
auf den z. B. in Norwegen gemachten Versuch, den unehelichen Kindern, 
deren Väter gerichtlich festgestellt sind, das gleiche Erbrecht wie den 
ehelichen Kindern zu erwirken, Verzicht leisten zu können gemeint, da, 
wenigstens in Deutschland, „die Männer unseres Industriestaates, die hier 
der großen Masse nach in Betracht kommen, keine nennenswerten 
Kapitalien zu hinterlassen pflegen.“ (Camilla Jellinek: Das unehe- 
liche Kind und seine Mutter in der modernen europäischen Gesetzgebung. 
S. Selbstanzeige in „Die Neue Generation“, 9. Jahrg., Heft 10 (Oktober 
1913), S. 549.) — Dagegen wird auf der andern Seite wohl zumal aus 
Textilfabriken und vom Geschäftspersonal großer Warenhäuser Glaub- 
haftes von Verführung der Arbeiterinnen und Verkäuferinnen seitens Werk- 
führern und Chefs der Etablissements selbst berichtet. (Lily Braun, Die 
Frauenfrage, S. 308.) 
2% Hirschberg, S. 284. 
27 Spann, S. 33. 
28 Anton Menger, Das bürgerliche Recht und die besitzlosen Klassen, 
Tübingen 1890, S. 61—62. 
Michels, Sittlichkeit in Ziffern.
	        
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