War die Regelung der gewerblichen Kinderarbeit notwendig? 9
eine dringend notwendige Selbstbetätigung des Kindes, welche die
Phantasie anregt und in körperlicher und geistiger Hinsicht turm
hoch besonders über solcher Arbeit steht, die das Kind stumpfsinnig
macht, wie z. B. stundenlanges Knöpfe aufziehen, Haken aufnähen,
Kaffee anslescn, Draht ziehen, Striche machen, Blumenblätter stanzen,
Tüten kleben usw. (Agahd a. a. O. 68 u. f.) Übrigens zeigen ge
rade die durch den Bundesrat getroffenen Ausnahmebestimmungen,
wie entsetzlich hoch die Zahl solcher Berufsarten ist.
7. Die gewerbliche Kinderarbeit geschieht häufig
in Räumen, die jeder Hygiene Hohn sprechen, und
weil sie weiter darin geschehen wird, so mußte der Gesetzgeber den
Begriff „Werkstätten" im weitesten Sinne fassen. Das Urteil der
Gewerbeinspektorcn und Ärzte mußte Beachtung finden auch hin
sichtlich der im Freien belegenen Arbeitsstätten. Wir führen nach
Tcws das des Gcwerbeinspektors in Reichenbach an: . . . „Diesen
Vorarbeiten, die den jugendlichen Körper nur einseitig beanspruchen,
ist jedenfalls eine nachteilige Wirkung auf das körperliche Gedeihen
des Kindes, selbst wenn die Arbeit im Freien erfolgt,
nicht abzusprechen. Ihre Folgen zeigen sich auch in der außer
ordentlich großen Menge mißwachsener Personen, der man im
Textilindustriebczirk begegnet." Die Folgen einer übermäßigen Be
schäftigung, die sich nach Berichten (Bayern, Württemberg, Hessen,
Sachsen-Altenburg, Sachsen-Koburg-Gotha, Renß ä. L. und Schwarz-
burg) „im späteren Leben durch vorzeitigen Eintritt körperlicher
Schwäche und Erwerbsunfähigkeit geltend" machen, würden zu einer
vollständigen Degeneration der heim arbeitenden Bevölkerung jener
Judustriegcgendcn führen, welche die traurigsten Wohnungsverhält
nisse haben.
Wir müssen es uns versagen, auch Urteile der Ärzte, Sozial
politiker, anderer Gcwerbeinspektoren und besonders der Lehrer,
welch letztere den Einfluß übermäßiger gewerblicher Tätigkeit der
Kinder bei einigem Interesse immer sofort erkennen, hier wieder
zugeben. Bemerkenswert ist das Gutachten der M e d i z i n a l b e h ö r d e
Hamburg, aus dem wir auf folgende Punkte hinweisen: Arbeit
oft in ungesunder Luft, oft gehetzt, oft mit nüchternem Magen, oft